Kommt die Wende in der Asyl- und Flüchtlingspolitik?

Innenminister Boris Pistorius macht ernst und läutet Wende in der nds. Asyl- und Flüchtlingspolitik ein (siehe Pressmitteilung).

Kaum einen Monat im Amt und der erste Fahrplan für eine humanere Politik:

  1. Wertgutscheinpraxis wird abgeschafft
    Sind die Entscheidungsspielräume der Kommunen bereits vorhanden, so liegt es jetzt an den Kommunen, die Bargeldleistung auch zu ermöglichen. Eigentlich sollte sich keine Kommune den „Luxus“ leisten, die teure Variante der Sachleistung beizubehalten. Die Kommunen müssen bekanntermaßen ja sparen.
    Erfreulich auch das deutliche Signal, Initiativen ergreifen zu wollen, das AsylbLG gänzlich abzuschaffen. Auch mit dem Beschluss des BVerfG sind ja Diskriminierung und Ausgrenzung nicht abgeschafft. Asylsuchende gehören als Leistungsbezieher/innen in das SGB II oder XII und müssen Zugang zu alle Leistungen/Hilfen haben, die ihnen ein Leben in Würde ermöglicht. Das schließt die Integrationsleistungen auf dem Arbeitsmarkt ein.
  2. Änderung der Abschiebepolitik
    Der Verzicht auf die „Abschiebung im Morgengrauen“, die frühzeitige Bekanntgabe des Abschiebetermins, der absolute Vorrang einer freiwilligen Ausreise und der weitgehende Verzicht auf Abschiebungshaft sind deutliche Ansagen, das „Abschieberegime“ menschenfreundlicher zu gestalten. Eine Abschiebung bleibt aber am Ende eine Zwangsmaßnahme. Es ist deshalb erfreulich, dass die individuelle Lebenssituation der Betroffenen zukünftig stärker als bisher zu berücksichtigen ist und damit die Abwägung öffentlicher und individueller Interessen auch gegen eine Abschiebung ausfallen kann.
    Es wird nun darauf ankommen, dass Unterstützer/innen und Vertreter/innen der Flüchtlinge vor Ort aufmerksam beobachten, ob und wie dieser Paradigmenwechsel in den Ausländerbehörden umgesetzt wird. Der politische Wille ist da, die kommunale Umsetzung wird aber nicht ohne Unterstützung der Flüchtlingshilfe möglich sein.
  3. Bleiberechtsregelung
    Die Unterstützung der Hamburger Gesetzesinitiative ist ein wichtiger Schritt, eine stichtagsungebundene Bleiberechtsregelung im Aufenthaltsgesetz zu verankern. Nach einer möglichen Umsetzung dieses Entwurfs wird die Praxis aber zeigen, adss die Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung zu hoch ist. Ein faktischer Ausschluss vom Arbeitsmarkt, sei es durch das einjährige oder ein ausländerrechtliches Arbeitsverbot oder der fehlende Zugang zu Arbeitsmarktinstrumenten und beruflichen Anpassungsmaßnahmen schaffen ähnliche Problemfelder, wie wir sie aus der Langzeitarbeitslosigkeit her kennen. Vor einer Abschaffung dieser restriktiven Arbeitsmarktpolitik sollte die Unterhaltssicherung deshalb an ein Bemühen und nicht an einen Nachweis gekoppelt sein. Darüber wird ggf. nach der Umsetzung der Initiative zu reden sein.
  4. Reform der Härtefallkommission
    Die Aussetzung aller Beratungen bis zu einer Novellierung der Verordnung sollte als Beleg gewertet werden, dass der „humanitäre Auftrag des Härtefallverfahrens“ die zentrale Rolle in der VO spielen wird. Damit werden die Mitglieder der HFK frei(er) von juristischen Zwangsjacken und spitzfindigen Sachzwängen ihre Entscheidungen fällen können.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen begrüßt diese umfassenden und deutlichen Maßnahmen, mit denen die Rückkehr zu einer humanen Flüchtlingspolitik ermöglicht wird. Es ist nun an der Zeit, diesen „neuen Geist“ in alle Ämter zu tragen.

Herzliche Grüße!
Norbert Grehl-Schmitt

Im Nachhtrag die Pressemitteilung der Rede des Innenministers in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages vom 14.03.2013.

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3 Gedanken zu „Kommt die Wende in der Asyl- und Flüchtlingspolitik?“

  1. Zu Punkt 1, 2. Absatz: Bis zur gänzlichen Abschaffung des AsylbLG könnte das Ministerium schon einmal die weitere Anwendung des § 1a AsylbLG für Niedersachsen unterbinden -nicht zuletzt in Anbetracht der jüngsten Beschlüsse der (niedersächsischen) Sozialgerichte in Lüneburg, Stade und Oldenburg, in denen die Verfassungwidrigkeit von Leistungskürzungen unter dem Vorzeichen des § 1a AsylbLG festgestellt worden ist.

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  2. Meine Meinung:

    Zu 1.:
    Das AsylbLG sollte auf Bundesrats- und Bundestagsebene ganz abgeschafft werden. Alle Zuwanderer, auch die Ausreisepflichtigen, sollten Jobcenterkunden sein dürfen. Das würde eine weitere Änderung in der Beschverfahrensverordnung (§10) voraussetzen, die allen Zuwanderen die Beschäftigung ab dem 1ten Tag des Aufenthaltes im Bundesgebiet erlaubt. Fördern für alle, forden von allen.

    Wer dann…

    Zu 3. und 4.)
    ….nicht arbeitet bzw., binnen einer Frist keinen Job aufnimmt kann als Ausreisepflichtiger nicht von Bleiberechten und als Härtefall begünstigt werden.

    Zu 2.)
    Flüchtlingshilfe ist ja meist Hilfe für Ausreisepflichtige. Caritas, Diakonie, Flüchtlingsrat und lokal organisierte Initiativen (bspw. Integrationslotsenvereine etc.) sollten hier den Job übernehmen, der sonst nur von den ABHs im Vorfeld von „Zwangsmaßnahmen“ gemacht wird / gemacht werden sollte – Rückkehrberatung. Wer bspw. beim Flüchtlingsrat weiß den über die ganzen Rückkehrprogramme, die finanziellen Fördermöglichkeiten der EU, in den Ländern und Komunnenin, den Herkunftsländern der Flüchtlinge/Ausreisepflichtigen im Detail Bescheid ? Da läuft sicher wenig, ist aber für betroffene Personen und Familien bestimmt leichter zu vermitteln, wenn nicht nur seitens der Behörde die Rückkehrperspektive positiv herangetragen wird, sondern auch durch vorgenannte NGOs.

    Zu 3.)
    immer gut.

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