Ohne Pass haben Flüchtlinge keine Chance

Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates Niedersachsen, fordert Nachbesserungen der Bleiberechtsregelung

Die neue Bleiberechtsregelung für geduldete Ausländer läuft nach Ansicht des niedersächsischen Flüchtlingsrates ins Leere. Mit Kai Weber, dem Geschäftsführer der Organisation, sprach unser Korrespondent Peter Mlodoch.

Frage: Herr Weber, seit 100 Tagen ist die Bleiberechtsregelung der Innenminister in Kraft. Niedersachsens Ressortchef Uwe Schünemann (CDU) spricht von einem Erfolg. Sie sehen das auch so?

Weber: Die neue Bleiberechtsregelung ist keineswegs… ein Erfolg. Wir waren schon beim Beschluss der Innenminister pessimistisch, damals hatten wir die Zahl der möglichen Aufenthaltserlaubnisse auf 20 Prozent beziffert. Nach den ersten 100 Tagen müssen wir feststellen, dass selbst diese Prognose noch zu optimistisch war. Die Zahl der Flüchtlinge, die jetzt ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bekommen, ist äußerst gering; es sind höchstens fünf bis zehn Prozent.

Was heißt das in konkreten Zahlen? Wie viele geduldete Ausländer gibt es in Niedersachsen?

Wir hatten Ende des vergangenen Jahres 22 600 geduldete Personen in Niedersachsen. Davon entfallen etwa 12 000 auf die Ausländer, die die geforderten Fristen für eine Anwesenheit in Deutschland erfüllen – also sechs Jahre für Familien und acht Jahre für Einzelpersonen. Von diesen 12 000 werden nach unserer Prognose nur etwa 1000 Betroffene eine Chance haben, ein Bleiberecht zu erhalten. Im Dezember haben nur 69 Personen einen positiven Bescheid bekommen. Auch im Januar und Februar bewegen sich die Zahlen in dieser Größenordnung. Nach unseren Umfragen gibt es Kommunen, die noch keine einzige Aufenthaltserlaubnis erteilt haben. Die Euphorie des Innenministers können wir also überhaupt nicht teilen. Im Gegenteil: Wenn es keine Nachbesserungen gibt, geht die Bleiberechtsregelung ins Leere.

Der Innenminister will ja vielleicht gar nicht, dass viele Flüchtlinge dauerhaft hier bleiben. Warum bekommen nur so wenig Geduldete einen gesicherten Status?

Die Probleme liegen im Verfahren selbst. Zunächst einmal muss ein gültiger Pass vorgelegt werden. Flüchtlinge verfügen aber oft notgedrungen nicht über entsprechende Papiere. Denken Sie an den Bürgerkrieg im Libanon. Die Menschen haben Hals über Kopf das Land verlassen – ohne ihr Hab und Gut und oft auch ohne Papiere. Jetzt haben sie große Schwierigkeiten, einen Staatsangehörigkeitsnachweis zu erbringen. Aus dem ehemaligen Jugoslawien haben wir viele Menschen, die der Krieg dort staatenlos gemacht hat, die von keinem der Nachfolgestaaten einen Pass bekommen.

Braucht man den denn unbedingt?

Solange ein Pass nicht vorgelegt werden kann, gibt es kein Bleiberecht. Ohne Pass erhalten die Betroffenen auch keine Arbeit. Innenminister Schünemann hat öffentlich verkündet, das sei alles ganz einfach. Wenn man ein Arbeitsangebot vorlegen würde, bekäme man auch die Aufenthaltserlaubnis. In der Praxis stellen wir aber fest, dass Flüchtlinge mit Arbeitsangeboten zu den Ausländerbehörden gehen. Dort bekommen sie dann gesagt: Ohne Pass habt ihr gar keine Chance. Der Arbeitserlaubnisantrag wird abgelehnt und die Aufenthaltserlaubnis verweigert.

Beispiel?

Im Landkreis Cloppenburg wartet eine Roma-Familie mit vier Kindern aus dem Kosovo bisher vergeblich auf eine Aufenthaltsgenehmigung. Die Eltern leben seit 15 Jahren in Niedersachsen und erfüllen eigentlich alle Bedingungen. Weil sie aber keinen Pass haben, bekommen sie keine Arbeit. Und ohne Arbeit gibt es kein Bleiberecht.

Diese und andere Betroffene haben aber doch noch bis September Zeit.

Ein Arbeitsangebot besteht doch meistens nur kurzfristig. Ein Arbeitgeber kann doch nicht gebeten werden, drei, vier, fünf oder gar neun Monate zu warten, bis alle Formalitäten und bürokratischen ßberprüfungen erledigt sind. Ein Arbeitsplatz wird vielleicht drei oder vier Wochen freigehalten. In einer Vielzahl von Fällen sind die Flüchtlinge hoffnungsvoll mit Arbeitsangeboten zu den Behörden gegangen. Dort liegt dann der Antrag manchmal monatelang. Am Ende ist der Job weg.

Die große Koalition im Bund plant eine gesetzliche Bleiberechtsregelung. Ist dadurch eine Besserung in Sicht?

Nach allem, was wir bisher gehört haben, bietet diese Lösung auf jeden Fall den Betroffenen mehr Zeit, um die Formalitäten zu erfüllen. Dreh- und Angelpunkt ist immer die Frage, ob die Betroffenen unmittelbaren Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Wir sind durchaus dafür, dass Personen zum Nachweis ihrer Integration auch einen Arbeitsplatz haben sollten. Aber sie müssen faire und realistische Chancen haben, eine solche Arbeitsstelle auch antreten zu können. Daran mangelt es einfach. Wenn die bundesgesetzliche Regelung nur das bürokratische Verfahren der Länder-Innenminister fortsetzt, dann stellt das nicht wirklich eine Verbesserung dar.

Quelle: Bremer Tageszeitungen AG

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3 Gedanken zu „Ohne Pass haben Flüchtlinge keine Chance“

  1. Hallo erstmal,
    ich und mein Bruder sind seit 20Jahre in Deutschland, erfüllen alle Bedingungen, haben erfolgreich die mittlere Reife abgeschlossen, einmal die Ausbildung zum Mechatroniker und einmal eine Ausbildung zum Industriemechaniker abgeschlossen ,ich arbeite seit 2006 im Vollzeitbetrieb als Service- Techniker und mache nebenher die Meisterschule und bin auch noch Selbstständig.
    So zu unseren Problem.
    Wir sind als Kinder ( 4Monate u. 4Jahre.) vor 20Jahren eingereist und haben seit dem keinen Bezug nach Syrien, sprechen kaum syrisch und können weder syrisch lesen noch schreiben. Da wir keine möglichkeit haben einen Pass zu bekommen, weil wir erst das Militär absolvieren müssten, dass würde heißen wir müssten unsere Tätigkeiten ruhen lassen um dies zu machen, zudem hieß es das wir uns das Risiko einer Folterung aussetzen müssten. Bekannter Vorfall: Mein älterer Bruder wurde vor ca.3 Jahren abgeschoben die Folterungen die Ihn wiederfahren sind, sind daher unzumutbar.
    Wir sind aus der Landeshauptstadt Stuttgart und haben nur eine Fiktionsbescheinigung die wir alle 3Monate verlängern müssen.
    Ein Mensch kann sich nicht aussuchen wo er geboren ist, aber er sollte sich aussuchen können wo er zuhause ist und Deutschland ist unser Zuhause.
    Das wir kein Aufenthaltstitel oder gar einen Deutschen Pass bekommen, fangen wir das zweifeln an, an irgeneiner Form von Menschlichkeit und Gerechtigkeit

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  2. Hallo

    Ich habe einen freund er ist aus syrien ein soldat er ist in die türkei geflüchtet er hat keinen pass keine papiere ich habe den deutschen pass wir wollen heiraten aber könnte ich ihn nach deutschland holen werden wir eine chance haben weil er keine papiere hat die sind beim bundeswehr bitte hilft mir ich weiss nicht weiter

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