Die von der Bundesregierung auf Anfrage der Fraktion „Die Linke“ vorgelegten Zahlen zur Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge (BT-Drs. 16/8803) verdeutlichen, dass die Umsetzung der Bleiberechtsregelung nach wie vor äußerst unbefriedigend ist. Die von Innenminister Schünemann vor Jahresfrist ins Spiel gebrachte Zahl von 7.000 bleibeberechtigten Flüchtlingen ist weit von den Realitäten entfernt:
- Am 31.03.2008 lebten in Niedersachsen 17.272 Flüchtlinge mit einer Duldung, davon 9796 seit sechs, 6502 Flüchtlinge seit acht Jahren.
- Nur 327 ehemals geduldete Flüchtlinge lebten am 31.12.2008 in Niedersachsen mit einer im Rahmen der gesetzlichen Bleiberechtsregelung erteilten, an das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses gebundenen Aufenthaltserlaubnis. Darüber hinaus waren zum gleichen Stichtag 1.717 Flüchtlinge in Niedersachsen mit einer Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ gemeldet. Die Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis über den 31.12.2009 hinaus ist gebunden an den Nachweis eines dauerhaften eigenständigen Einkommens. Schließlich erhielten 110 Kinder aufgrund einer guten Integrationsprognose ein befristetes Bleiberecht. Insgesamt lebten am 31.3.2008 damit 2.154 Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Bleiberechtsregelung in Niedersachsen (bundesweit: 15.239 Personen).
- Für 519 Personen stellten niedersächsische Behörden bereits bei der Umsetzung der IMK-Bleiberechtsregelung Ausschlussgründe fest. Für die gesetzliche Bleiberechtsregelung liegen hierzu noch keine Zahlen vor. Nach den bisherigen Erfahrungen des Flüchtlingsrats wird auch diese in Niedersachsen kleinkariert und restriktiv umgesetzt.
Nach wie vor leben rund 56% aller Geduldeten in Niedersachsen bereits länger als sechs Jahre im Bundesgebiet, rund 38% länger als acht Jahre. Fast 18 Monate nach Inkrafttreten der ersten Bleiberechtsregelung drängt sich der Eindruck auf, dass die gefassten Beschlüsse – anders als öffentlich verlautbart – wohl keine Lösung des Problems der Kettenduldungen bewirken werden. Bürokratische Verfahren, überzogene Anforderungen und kleinliche Ausschlussgründe sorgen dafür, dass die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge bislang nicht die erhoffte Aufenthaltserlaubnis erhalten hat und wohl auch nicht erhalten wird, wenn nicht noch administrativ nachgebessert wird. Hier bleibt zu hoffen, dass die verstärkte Einflussnahme vor allem auch der Sozialpolitiker/innen eine spürbare Verbesserung bringen wird.
Viele Geduldete scheitern bereits daran, dass sie keinen Pass vorlegen können. Ohne einen Pass wird der Antrag auf ein Bleiberecht jedoch von den Ausländerbehörden gar nicht bearbeitet, selbst wenn alle übrigen Integrationsvoraussetzungen erfüllt sind. Trotz eines Arbeitsnachweises werden Flüchtlinge mit der Begründung abgelehnt, eine spätere „auskömmliche Rente“ sei nicht sichergestellt. Ein ergänzender Bezug öffentlicher Leistungen wird auch bei Härtefällen (z.B. Alleinerziehenden) weitgehend ausgeschlossen, und selbst geringfügige Vergehen unterhalb der vom Gesetzgeber festgelegten Grenze von 50 bzw. 90 Tagessätzen können eine Ablehnung begründen.
Neben der Forderung einer nahezu vollständigen Sicherstellung des Lebensunterhalts sorgt vor allem die hartherzige Sanktionierung einer mangelnden Mitwirkung bei der eigenen Abschiebung in der Vergangenheit für einen Ausschluss vieler potenziell von der Bleiberechtsregelung Begünstigter. Niedersachsen grenzt sich damit auch vom Bundesinnenministerium ab, das nicht nur einen erheblich größeren Spielraum für die Gewährung ergänzender öffentlicher Leistungen einräumt, sondern in seinen Anwendungshinweisen zur Beurteilung von Ausschlussgründen ausdrücklich auch einen „großzügigen Maßstab“ angelegt wissen will.
gez. Kai Weber
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