Innenministerium zwingt Landkreis Hildesheim zu Klage gegen Flüchtlinge // Humanitäre Entscheidung der Landrätin Ingrid Baule aufgehoben //Â Flüchtlingsrat: Innenministerium handelt unmenschlich und gewissenlos
Wir sind zutiefst erschüttert über die gestrige Entscheidung des niedersächsischen Innenministeriums, den Landkreis Hildesheim förmlich anzuweisen, mit weiteren Rechtsmitteln gegen die Flüchtlingsfamilie Siala/Salame vorzugehen. Es ist für uns unfassbar, mit welcher Kaltschnäutzigkeit sich das Innenministerium zur Durchsetzung abstrakter Rechtsgrundsätze über das Leid einer Flüchtlingsfamilie hinwegsetzt,… die im Februar 2005 im Zuge einer überraschenden Abschiebung auseinandergerissen wurde und sich nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 21.6.2006 für ein Bleiberecht des Ehemanns Ahmed Siala begründete Hoffnungen auf ein gemeinsames Leben im Landkreis Hildesheim machen konnte. Seit 18 Monate haben die hier bei ihrem Vater lebenden Kinder Nura und Amina ihre Mutter nicht gesehen, und Vater Ahmed Siala hat seinen vor einem Jahr geborenen Sohn noch nie in Händen gehalten.
Die Hildesheimer Landrätin Ingrid Baule hatte Stunden zuvor per Pressemitteilung angekündigt, sie werde die Ausländerbehörde anweisen, die Aufenthaltserlaubnis für Ahmed Siala zu erteilen und seiner Frau Gazale Salame eine Rückkehr in den Landkreis Hildesheim ermöglichen, die angesichts des langen Aufenthalts ohne ihre Familie im türkischen Ghetto schier verzweifelt.� Weder die Gewissensgründe der Landrätin noch die vorliegenden Atteste über den besorgniserregenden Gesundheitszustand von Frau Salame konnten das Innenministerium beeindrucken. Die seit 18 Monaten „von Staats wegen“ getrennte Familie steht nun vor der Alternative, entweder aufzugeben und gemeinsam in einem fremden Land (in der Türkei) zu leben, dessen Sprache sie nicht spricht und in dem sie einen Platz nur im Ghetto findet, oder weitere Monate oder Jahre getrennt voneinander auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu warten. In unseren Augen handelt das Innenministerium gewissenlos und unmenschlich.
Die zur Rechtfertigung angeführte Begründung des Innenministeriums erscheint uns vorgeschoben: Im Unterschied fast allen anderen vergleichbaren Fällen der sog. Mahalmi (oftmals bezeichnet als „Kurden aus dem Libanon“) handelt es sich bei Familie Siala um Flüchtlinge, die nachweislich bereits 1958 im Libanon registriert waren und 1994 die libanesische Staatsangehörigkeit erhalten haben. Nur die wenigsten Mahalmi können einen libanesischen Pass vorweisen. Auf dieses Faktum hat sich das Verwaltungsgericht im Wesentlichen gestützt. Die Präzedenzwirkung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts dürfte insofern gering sein. Es ist mit dem allgemeinen Menschenverstand ohnehin nicht nachvollziehbar, dass die Behörden dem 1979 in Beirut geborenen Ahmed Siala, der nie in der Türkei war und die ersten sechs Jahre seines Lebens im Libanon, die letzten 21 Jahre in Deutschland verbracht hat, eine „Täuschungsabsicht“ über seine “ angeblich türkische “ Identität unterstellt haben. Offensichtlich betreibt das Innenministerium eine Politik des „Flüchtlinge raus um jeden Preis“.
Perfide ist auch die Methode des Innenministeriums, öffentlich vorzurechnen, wie viele Sozialhilfemittel die Familie bezogen hat. Der Bezug öffentlicher Leistungen wurde erst durch die Maßnahmen der Behörden erzwungen: Ahmed Siala hatte sich im Jahr 2000 als Geflügelhändler selbstständig gemacht und ein eigenes Gewerbe angemeldet. Durch den behördlichen Entzug der Aufenthaltserlaubnis wurde Herrn Siala die Ausübung dieses Gewerbes verunmöglicht, da er mit einer Duldung das Land Niedersachsen nicht verlassen durfte und als Händler darauf angewiesen war. Mit einer Duldung besaß die Familie nur noch einen sehr eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Es ist Herrn Siala hoch anzurechnen, dass es ihm nach wochenlangen Bemühungen im November 2005 gelungen ist, eine eingeschränkte Arbeitserlaubnis für eine Arbeit als Tortenmeister bei einer Bäckerei zu erhalten. Diese Bäckerei würde ihn gern in Vollzeit anstellen, Ahmed Siala erhält dafür aber bislang keine Arbeitserlaubnis.
gez. Kai Weber
Geschäftsführer
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