Grehl-Schmitt: Not der Menschen in den Vordergrund stellen

Das niedersächsische Innenministerium hat die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Grünen, in der es eigentlich um illegale Beschäftigung im Lager Bramsche geht, dazu genutzt, um den Leiter der Einrichtung, Conrad Bramm, gegen den vom Flüchtlingsrat erhobenen Vorwurf des „Rechtspopulismus“ in Schutz zu nehmen und dessen Sicht der Dinge im Wesentlichen zu bestätigen. Unter Bezugnahme auf den Anstieg der Flüchtlingszahlen vom Balkan in Niedersachsen (im Juli: 117 Asylanträge, im August: 181 Asylanträge) führt das Innenministerium aus:

„Unabhängig von dem allgemeinen Anstieg der Zahl der Asylantragsteller in den vergangenen Jahren, beispielsweise durch die Ereignisse in Afghanistan, im Irak und in Syrien, wird seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bundesweit ein sprunghafter Ansteig von Asylantragstellern vornehmlich aus jenen Balkanländern verzeichnet, die Visafreiheit genießen (z.B. Serbien und Mazedonien). Die Zahlen der in jüngster Zeit in Niedersachsen von Asylsuchenden aus Serbien, Mazedonien, Kosovo, Montenegro und Bosnien-Herzegowina gestellten Anträge belegen dies überdeutlich. … Auf diese Entwicklung hat der Leiter des Standortes Bramsche in enger Abstimmung mit der Behördenleitung der Landesaufnahmebehörde zu Recht hingewiesen. Diese Besorgnisse als „Nährboden für Rechtspopulismus“ abzutun, verkennt die Probleme, die durch den starken Ansteig der Zuwanderung entstehen…“

Hierzu schreibt Norbert Grehl-Schmitt, Vorsitzender des Flüchtlingsrats Niedersachsen, über die flucht-Liste:

„Es sei dahingestellt, ob die Äußerungen von Conrad Bramm rechtspopulistisch oder einfach unüberlegt waren. Es steht auch außer Frage, dass mehr Menschen Asylanträge gestellt haben. Die Zahl der Anträge steigt in den letzten Jahre kontinuierlich, hat auf der anderen Seite aber noch nicht annähernd die Größenordnung erreicht, die bis zur Jahrtausendwende üblich war. Auch in Belgien, Schweden, England, Österreich oder den Niederlanden ist die Zahl der Asylsuchenden gestiegen. Wen mag das eigentlich verwundern, ansgesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen, der Bürgerkriege, der Verfolgung ethnischer Minderheiten und – nicht zuletzt – der bitteren Armut vieler Menschen? Was macht uns Angst, wenn sich Menschen in vielleicht acht Bussen aus dem Balkan – nach Rechnung des Conrad Bramm – visafrei auf den Weg nach Deutschland machen, weil ihnen hier die bittere Armut und tagtägliche Diskriminierung erspart bleibt, die sie zuhause erleben, – ein paar Tage, vielleicht Wochen, bevor der Weg zurück zu gehen ist.   
Was ist das für eine Selbstgefälligkeit, wenn Regierende, Beamte und Angestellte des Staates an die Öffentlichkeit gehen und Notstände (= Notbetten) erklären, weil mit etwa 70 Neuzugängen mehr im Monat August eine Landeseinrichtung – erstmals seit vielen Jahren – ausgelastet ist? Währenddessen nimmt die Türkei mehr als 80.000 Flüchtlinge aus Syrien auf – geht´s noch?
Hand auf´s Herz: Niemand hätte sich beklagt, hätte das Land Niedersachsen die Kommunen und die Bürger/innen öffentlich dazu aufgerufen, Wohnraum für Flüchtinge zur Verfügung zu stellen – so groß war und ist die Not dann wohl möglich doch nicht.
Wie gern von ultra-rechts Zuwanderungsstrom-Szenarien zum Anlass genommen werden, Kübel von Hass und Schmutz auf Menschenrechtsthemen zu kippen, zeigte unlängst der NPD-Unterbezirk Göttingen in einem ebenso dümmlichen wie widerlichen Pamphlet, das immerhin unseren Innenminister Schünemann in einer Einheitsfront mit „grünen und linken Überfremdungsfanatikern“ sieht.
Kurzum: Nehmen wir letzteres zum Anlass und kehren zurück zu einer sachgerechten und vor allem humanitären Flüchtlingspolitik, die die Not der Menschen und nicht die Notbetten in den Vordergrund des öffentlichen Diskurses stellt.

In diesem Sinne herzliche Grüße!
Norbert Grehl-Schmitt
Caritasverband f.d. Diözese Osnabrück e.V.

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