Flüchtlinge in Bulgarien / Inhaftierung von Flüchtlingen zukünftiger EU-Standard?

Bulgarien ist EU-Mitglied und Dublin II – Vertragsstaat. Dennoch werden Flüchtlinge in Bulgarien regelmäßig inhaftiert und systematisch daran gehindert, das Land in Richtung Westeuropa zu verlassen. Nach wie vor werden zwischen Bulgarien und Serbien, Rumänien und Griechenland intensive Grenzkontrollen durchgeführt. Wer bei dem Versuch erwischt wird, die Grenzen ohne gültiges Visum zu überschreiten, riskiert hohe Geldstrafen und im Wiederholungsfall auch Freiheitsstrafen.

Dieser Film informiert (wenn man die nervige Werbung erst einmal hinter sich gelassen hat) eindrucksvoll über das bulgarische System des Einsperrens und der Abschreckung von Flüchtlingen. Er verdeutlicht, wie es Anuar und Bedir Naso ergangen sein muss: Die beiden Syrer (Vater und 16-jähriger Sohn) wurden im Februar 2011 von der Restfamilie getrennt aus Niedersachsen abgeschoben. In Syrien wurden sie für zwei bzw. vier Wochen inhaftiert und misshandelt. Nach der Haftentlassung flohen die beiden erneut aus dem Land. In Bulgarien wurden sie zunächst als „illegale Ausländer“ inhaftiert und erst nach Stellung eines Asylantrags in Bulgarien wieder frei gelassen. (Näheres hier). Bei dem Versuch, zu ihrer Familie nach Deutschland zurück zu kommen, wurden sie an der Grenze dreimal erwischt. Vater Bedir wurde daraufhin wegen „illegaler Grenzüberschreitung“ zu einer Haftstrafe von 9 Monaten verurteilt, der Minderjährige Anuar lebt allein in einem Aufnahmelager für Flüchtlinge in Sofia. Die Verurteilung des Vaters verstößt nach Auffassung der bulgarischen Behörden nicht gegen die GFK, weil nicht die illegale Einreise, sondern der versuch einer illegalen Ausreise sanktioniert worden sei.

Nach Aussagen von UNHCR besteht derzeit in Bulgarien ein informeller Abschiebestopp für Syrien. Im letzten Jahr wurden insgesamt 85 Syrer/innen als Asyl- bzw. Schutzsuchende in Bulgarien registriert, darunter 56 Männer, 11 Frauen und 18 Minderjährige – davon 3 unbegleitete. Bislang hat keine dieser Personen einen Flüchtlingsstatus erhalten, 5 Personen (3 Männer und 2 Frauen) wurde formell humanitärer Abschiebeschutz (Subsidiärschutzstatus) gewährt.

Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich,welchen Sinn die aktuellen Bestrebungen haben, die EU-Aufnahmerichtlinie so zu ändern, dass eine Inhaftierung von Asylsuchenden regelmäßig zulässig ist: Statt Bulgarien, Malta, Griechenland und andere Staaten wegen Verstoßes gegen die Aufnahmerichtlinie zu rügen und eine Überstellung von Flüchtlingen in diese Staaten im Rahmen der Dublin II – Verordnung auszusetzen, wird die dortige Praxis der Inhaftierung und Abschreckung von Flüchtlingen kurzerhand zum allgemeinen „EU – Mindeststandard“ erklärt.

Pro Asyl hat jüngst eine Kampagne unter dem Motto „Schlüssel nach Brüssel“ zu diesen skandalösen Plänen aus der Taufe gehoben. Wir werden auf der Mitgliederversammlung des Flüchtlingsrats am 14. Juli in Hannover die EU-Pläne und Widerstand dagegen zum Thema machen. Referentin ist Marei Pelzer von PRO ASYL

gez. Kai Weber

 

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