Kabinetts-Presseinformation zum Thema Bleiberecht

Dieser Beitrag ist bereits älter als vier Jahre. Eventuell ist der Inhalt nicht mehr aktuell.

Die heutige Presseinformation der Landesregierung wiederholt, was die Landesregierung bereits im März zum Thema „Gesetzentwurf für ein Bleiberecht von geduldeten Flüchtlingen“ verkündet hat. Auch der inzwischen vorgelegte Gesetzentwurf entspricht dem angekündigten Vorhaben, ein neu zu schaffendes Aufenthaltsrecht nach § 25B für geduldete Flüchtlinge vorzuschlagen, die sich „bereits in besonderem Maße sozial und wirtschaftlich integriert“ haben. Die Absichtserklärung des MI haben wir bereits im März kommentiert. Wenn das Land Niedersachsen seine eigene Initiative ernst nimmt, muss dies auch Auswirkungen auf die Abschiebungspraxis haben: Für den potenziell begünstigten Personenkreis muss ein Abschiebungsstopp verhängt werden. Überfallartige Abschiebungen ohne Terminankündigung im Morgengrauen sollten der Vergangenheit angehören.

Zusammengefasst lautet unser vorläufiges Resumee:

  1. Der Vorschlag einer rollierenden (stichtagsunabhängige) Bleiberechtsregelung ist erfreulich.
  2. Positiv ist auch die geplante Einbeziehung von Geduldeten in Integrationskurse nach vier Jahren.
  3. Zu begrüßen ist die Ermöglichung einer Identitätsklärung ohne Verlust der Aufenthaltsperspektive.
  4. Problematisch erscheinen uns die Bedingungen, die sehr restriktiv gefasst sind und ohne Änderung zur Folge hätten, dass nur wenige, besonders leistungsfähige Flüchtlinge tatsächlich profitieren würde
  5. Eine Härtefallklausel für Kranke, Schwerbehinderte oder Traumatisierte fehlt. Die vorgesehene Klausel für Alte ist unpraktikabel, weil ein Krankenversicherungsschutz nicht privat gewährleistet werden kann.

Begründung zu 4:  Flüchtlinge unterliegen im ersten Jahr einem totalen Arbeitsverbot und dürfen in den anschließenden drei Jahren nur arbeiten, wenn für eine konkrete Stelle keine deutschen (oder gleichgestellten) ArbeitnehmerInnen zur Verfügung stehen. Im fünften und sechsten Jahr ihres Aufenthalts sollen die Betroffenen dann nicht nur deutsch auf B1-Niveau lernen, sondern auch den Lebensunterhalt für die gesamte Familie mindestens ein Jahr lang vollständig aus eigener Erwerbstätigkeit decken. Dies erscheint uns als kaum erfüllbare Anforderung an Flüchtlinge, die zunächst vier Jahre lang von Sprachkursen und allen Integrationsmaßnahmen, wegen der „Vorrangprüfung“ weitgehend auch von Arbeitsmarkt, ausgesperrt sind. Die von der Landesregierung nun initiierten, einwöchigen „Begrüßungskurse“ in der Erstaufnahmeeinrichtung in Friedland sind ein netter symbolischer Akt, ersetzen aber nicht die erforderliche, systematische Einbeziehung auch von Flüchtlingen vom erstan Tag ihres Aufenthalts an. Wir fordern auch für Asyl suchende Flüchtlinge Sprachunterricht, Profilings und Anpassungsqualifizierungen sowie eine schnellstmögliche Einbindung in den Arbeitsmarkt unter Nutzung der bestehenden Instrumente der Arbeitsmarktförderung nach SGB II und III. Dies wären wichtige Schritte, um eine Dequalifizierung der Flüchtlinge zu verhindern und ihre Potenziale zu fördern. Auch die soziale und gesellschaftliche Ausgrenzung von Flüchtlingen durch Lagerunterbringung und Sachleistungen müsste endlich beendet werden. Flüchtlinge sollten frühzeitig in das gesellschaftliche Leben einbezogen werden und Partizipationschancen erhalten. Im Kern läuft der Entwurf darauf hinaus, den Qualifiziertesten unter den Geduldeten einen Übergang in einen regulären Aufenthalt zu ermöglichen. Das werden nach Lage der Dinge wohl nicht mehr als 10% sein

Bundesweit leben etwa 87.000 Geduldete in Deutschland, davon rund 50% mehr als sechs Jahre. Theoretisch könnten also viele Flüchtlinge von der Neuregelung profitieren. In Niedersachsen leben nach Angaben des Bundeslandes zum 31.12.2011 11.458 Personen mit einer Duldung (31.12.2010: 11.942) (Bundestagsdrucksachen 17/4791 und 17/8547). Damit liegt der prozentuale Anteil der in Niedersachsen Geduldeten im Vergleich zu ganz Deutschland bei überdurchschnittlichen 13% (Aufnahmequote: 9,3%). Zu befürchten ist, dass – wie beim Bleiberecht für Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren gem. § 25a AufenthG – nur ein Bruchteil der theoretisch Anspruchsberechtigten tatsächlich ein Aufenthaltsrecht erhalten würde, wenn die Bedingungen nicht verbessert werden. Beim Bleiberecht nach § 25a für Jugendliche wurden bis Ende 2011 gerade 221 Aufenthaltserlaubnisse erteilt – von ca. 5.000 theoretisch Anspruchsberechtigten…

Näheres zu Zahlen der Flüchtlinge mit befristetem Aufenthalt und der Geduldeten findet sich hier

Freundliche Grüße
Kai Weber

Bitte schreiben Sie an dieser Stelle nur allgemeine Kommentare.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...

Schreibe einen Kommentar

Jetzt spenden und unsere Arbeit unterstützen!