Ehem. Vizepräsident des BVerfG Mahrenholz fordert Reform der Härtefall-Verordnung

„Humanität kommt viel zu kurz“

Der ehem. Vizepräsident des Bundesverfassungsgericht, Ernst Gottfried Mahrenholz, hat eine Petition mit der Zielsetzung an den Landtag gerichtet, „der Menschlichkeit in Niedersachsen und der Einzelfallgerechtigkeit den gebührenden Raum zu verschaffen“. Im Zentrum der Kritik steht für Mahrenholz die niedersächsische Härtefall-Verordnung, die er für stark korrekturbedürftig hält.

„Es geht … gerade auf dem heiklen Gebiet der Abschiebung um den Schutz, den alle staatliche Gewalt der Würde der einzelnen Person schuldet“, schreibt Mahrenholz. „Diese Achtung und dieser Schutz sind kein ‚Abwägungsgut‘ gegenüber gegenläufigen Gesichtspunkten, die für die Abschiebung einer Person sprechen (wie dies fälschlicherweise schon einmal in einer Landtagsdebatte zum Ausdruck kam). Menschenwürdigkeit ist bis in die einzelne Maßnahme hinein die allein legitimierende Grundlage jeden staatlichen Handelns. Nur wenn jede Einzelmaßnahme vor dem Forum der Menschenwürde einer betroffenen Person bestand hat, können die einzelnen Überlegungen auf rationaler Ebene folgen.“

Unter anderem geht Mahrenholz auch auf den Fall der Gazale Salame ein (S. 10):

„Alle Bestimmungen dieses Regelungssektors stehen unter dem verpflichtenden Gebot, eine Familie nicht auseinander zu reißen. Es braucht wohl nicht begründet zu werden, dass dem Schutz der Ehe und Familie nicht genügt wird, wenn man an sich – siehe den Fall Gazale – den von der Familientrennung betroffenen Mitgliedern freistellt, ebenfalls auszureisen. Denn der Schutz der Ehe und Familie ist Bestandteil einer freien Gesellschaftsordnung und findet also dort statt, wo die Familie ihren Lebensmittelpunkt hat, nicht aber kann die Offerte an die verbleibenden Familienmitglieder, doch dem Ausgewiesenen nachzureisen, als familienfreundlich angesehen werden.“

Hier findet sich die Petition von Prof. Dr. Mahrenholz vom 17.02.2012

Nachfolgend eine Pressemeldung aus der heutigen HAZ.

HAZ 22.02.2012: „Humanität kommt viel zu kurz“

Hannover. Eine humanere Ausrichtung der niedersächsischen Abschiebepolitik fordert der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Gottfried Mahrenholz. „Was der Abschiebepolitik hierzulande fehlt, ist Menschlichkeit“, sagt Mahrenholz. Die jüngst bekannt gewordenen Fälle von Abschiebungen haben ihn stark berührt. „Meines Erachtens werden bei den meisten öffentlich diskutierten Abschiebungen Grundnormen verletzt, etwa dass die Würde des Menschen unantastbar sei“, sagt Mahrenholz.

Seine Bedenken hat der Jurist jetzt in einer Petition gebündelt, die er dem Landtag vorgelegt hat. „In vielen der in Niedersachsen diskutierten Fälle berufen sich Landräte wie auch der Innenminister auf Bundesrecht. Dabei haben sie selbst einen Ermessensspielraum bei Abschiebungen, den sie auch ausnutzen könnten“, meint Mahrenholz. „Auch Innenminister Schünemann könnte anders handeln, wenn er wollte.“ So liege es etwa in seinem Ermessen, ob jemand ausgewiesen werden solle oder bleiben könne, der falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels gemacht habe.

Dringend reformbedürftig im Sinne der Humanität sind nach Mahrenholz Angaben auch die Bedingungen, unter denen die Härtefallkommission arbeitet. Sie befasst sich mit humanitären Ausnahmen, setzt hier aber hohe rechtliche Hürden. So braucht ein Flüchtling eine Zweidrittelmehrheit in der Kommission, um als Härtefall anerkannt zu werden. „In anderen Bundesländern reichen einfache Mehrheiten“, sagt Mahrenholz.

Eine der größten Wohlfahrtsorganisationen Niedersachsens, der Paritätische, sieht sich in Mahrenholz? Petition voll bestätigt. „Wir erwarten, dass eine neue Härtefallverordnung vorgelegt wird“, erklärt die Chefin des Paritätischen, Cornelia Rundt.

22.02.2012 / HAZ Seite 7 Ressort: NIEDERSACHSEN

 

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