Die Behauptung des Landkreis Hildesheim, er habe im Fall der Familie Siala/Salame keinen Handlungsspielraum, entspricht nicht den Tatsachen. Der Landrat selbst hatte in einem Streitgespräch vor seiner Wahl als Landrat im Jahr 2006 öffentlich betont, dass es im Hinblick auf Ahmed Siala „Spielräume gibt“ (siehe hier). Der Landkreis Hildesheim sollte wissen, dass die für Ahmed Siala negative Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom Bundesverwaltungsgericht mit der Begründung aufgehoben wurde, dass eine Ermessensentscheidung unter Beachtung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu treffen sei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in mehreren Grundsatzentscheidungen betont, dass ein Flüchtling nicht abgeschoben werden darf, wenn er im Aufnahmeland integriert und verwurzelt ist und keine Bezüge zu seinem so genannten „Herkunftsland“ hat. Genau dies ist bei Ahmed Siala der Fall.
Seit Jahren wird in diesem skandalösen und menschenunwürdigen Abschiebungsfall die Entscheidung über eine Familienzusammenführung zwischen dem Landkreis Hildesheim und dem Land Niedersachsen hin und her geschoben. Die Zuständigkeiten sind jedoch eindeutig geklärt: Zunächst muss der Landkreis Hildesheim unter Beachtung der EMRK entscheiden, ob Ahmed Siala sein ihm im Jahr 2001 entzogenes Aufenthaltsrecht erneut erhält. Wenn der Landkreis Hildesheim Ahmed eine Aufenthaltserlaubnis erteilt hat, ist die Landesregierung gefordert, Gazale Salame die Wiedereinreise zu ermöglichen, d.h. mit der deutschen Botschaft Kontakt aufzunehmen und einer Visumserteilung zuzustimmen. Eine solche Lösung setzt eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen von Landkreis und Landesregierung voraus.
Erforderlich wäre also, dass Landrat Wegner, wie er es 2006 versprochen hat, endlich zum Hörer greift und mit dem Innenminister eine Lösung des Falls herbeiführt. „Man kann politisch Druck machen und mal energisch mit dem Innenminister verhandeln, nicht nur auf die Gerichte warten. Dafür wäre ich mir als Landrat nicht zu schade. Inhuman ist das lange Asylverfahren. Es ist unerträglich, wenn Kinder, die hier geboren oder groß geworden sind, abgeschoben werden“, erklärte Landrat Wegner vor seiner Wahl als Landrat am 23. September 2006 im HAZ-Interview unter direkter Bezugnahme auf Ahmed Siala. Geschehen ist in dieser Richtung jedoch nichts.
Der vom Landkreis angekündigten Prüfung juristischer Schritte gegen den Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Niedersachsen, Kai Weber, sieht der Vorstand des Flüchtlingsrats gelassen entgegen. Die Drohgebärde des Landkreises erweckt eher den Anschein eines hilflosen Versuchs, das menschenrechtlich zumindest fragwürdige Behördenhandeln sowie die Argumentationslogik zu verschleiern, mit der Ahmed Siala nach 26-jährigem Aufenthalt im Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaubnis unter Hinweis auf offenkundig fehlerhafte Abstammungsurkunden eines Staates verweigert wird, in dem der Betroffene niemals gelebt hat. Der Landkreis täte gut daran, sich endlich für eine unverzügliche Rückkehr von Gazale Salame einzusetzen, anstatt mit der Einleitung juristischer Schritte auch noch das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränken zu wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Grehl-Schmitt
Vorstand
Seit vielen, z u vielen, Jahren verfolge ich diesen tragischen Fall, dessen Verlauf nach normal menschlichem Ermessen nicht nachzuvollziehen ist. Unfassbar finde ich, dass wir ein Ausländerrecht haben, welches derartige Entgleisungen möglich macht. Und nach wie vor entsetzt es mich, dass es willige Vollstrecker gibt, die den Dienst nicht verweigern, eine schwangere Frau mit einem Kleinkind an der Hand gewaltsam von ihren zwei anderen Kindern zu trennen. Ich stelle mir, es handelte sich um eine Theateraufführung und bin sicher, dass auch die in diesem Fall Tätigen, sitzend im Zuschauerraum neben ihren eigenen Angehörigen, Rotz und Wasser heulen würden ob der Unmenschlichkeit. Aber das wäre eben Theater.
Mein Appell an Landrat Wegner, an das Innenministerium, an alle Menschen, die den weiteren Verlauf mitbestimmen können: „Bringen Sie die Sache endlich zu einem menschlichen Abschluss im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts!“
Keiner der Verantwortlichen sollte davon ausgehen, dass das Leiden dieser Familie in Vergessenheit gerät.