Härtefallkommission eine Farce?

Härtefallverfahren ohne Härtefälle? Härtefallkommission droht zur Farce zu werden / Keine Anhörung von Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlings- und Migrantenorganisationen /Will die Landesregierung Härtefallersuchen durch formale Tricks verhindern?


Die Landesregierung hat einen Entwurf für eine Verordnung zur geplanten Härtefallkom-mission in Niedersachsen im Kabinett verabschiedet. Im Rahmen eines schriftlichen An-hörungsverfahrens sind die Kirchen, die kommunalen Spitzenverbände und die Fraktionen im Landtag aufgefordert worden, im Schnellverfahren bis zum 9.6.2006 zu dem Entwurf Stellung zu nehmen. Für verzichtbar hält die Landesregierung die Anhörung…

– der Ausländerkommission beim Landtag,
– der migrationspolitischen Verbände (Flüchtlingsrat, Integrationsrat, AMFN, IAF, …)
– der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen

Dieses Verfahren verwundert angesichts der Tatsache, dass die bisherige Praxis, über Härtefallanträge im Petitionsverfahren zu entscheiden, unter anderem an der mangelnden Dialogfähigkeit der Landesregierung mit zivilgesellschaftlichen Organisationen gescheitert ist. Es mutet grotesk an, dass die Landesregierung auf die Anhörung aller Verbände ver-zichten zu können meint, die mit Flüchtlingen ständig im Kontakt stehen und mit der Prob-lematik bestens vertraut sind.

Der Entwurf selbst (s. Anlage) legt den Schluss nahe, dass die Landesregierung bestrebt ist, das Härtefallverfahren so zu gestalten, dass das Härtefallersuchen möglichst gar nicht erst bei der Kommission zugelassen wird: Der Verordnungsentwurf enthält eine detaillierte und umfassende Liste von Kriterien, die zwingend oder in der Regel zum Ausschluss vom Härtefallverfahren führen sollen. Kein anderes Bundesland hat in seiner Härtefallverord-nung eine derartige Fülle von Ausschlusstatbeständen aufgelistet. Härtefallanträge sollen z.B. erst angenommen werden, wenn ein Flüchtling „vollziehbar ausreisepflichtig“ ist. Wenn jedoch ein Abschiebungstermin festgelegt wurde, soll ein Antrag nicht mehr möglich sein. Auch wenn kein formelles Ausweisungsverfahren stattgefunden hat, sollen Härtefall-ersuchen in der Regel schon ausgeschlossen werden, wenn das Innenministerium der Ansicht ist, dass „Gründe vorliegen, die eine Ausweisung … rechtfertigen“. Flüchtlinge, die „gegen Mitwirkungspflichten bei der Aufenthaltsbeendigung verstoßen“, sprich: an ih-rer eigenen Abschiebung nicht tatkräftig mitwirken, sollen im Regelfall nicht als Härtefall anerkannt werden können. Da der Bezug öffentlicher Mittel in der Regel weiterhin ein Härtefallersuchen ausschließt, haben Behinderte, Alte, Alleinerziehende, Traumatisierte oder andere Flüchtlinge, die nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können, nur dann eine Chance, wenn Kommunen, Kirchen oder sonstige Dritte sich bereit erklären, die Kosten zu übernehmen. Liegt auch nur für ein Familienmitglied ein Ausschlussgrund vor, soll die ge-samte Familie nicht zum Härtefallverfahren zugelassen werden.

Wenn alle diese Hürden überwunden sind, soll ein Härtefallersuchen nur erfolgen, wenn mindestens sechs der neun Mitglieder der Kommission dem zustimmen. Noch hat das In-nenministerium nicht verraten, wer in die Kommission berufen werden soll. Dem Innenmi-nister reicht im Prinzip eine Sperrminorität zur Verhinderung unliebsamer Empfehlungen: Schon wenn drei Mitglieder der Kommission gemeinsam mit dem geschäftsführenden Vertreter des Innenministeriums den Antrag ablehnen, ist das Härtefallersuchen geschei-tert. Sollte es schließlich doch zu einem Härtefallersuchen kommen, hat der Innenminister schließlich immer noch die Möglichkeit, das Ersuchen abzulehnen.

„Unter dem Strich lässt sich feststellen, dass die Euphorie über den Beschluss der Lan-desregierung, nach zweijähriger Weigerung doch noch eine Härtefallkommission zu beru-fen, verfrüht war“, resümiert Dr. Gisela Penteker vom Vorstand des Flüchtlingsrats. „Noch ist nicht entschieden, ob das neue Verfahren zu Verbesserungen führt oder die ohnehin sehr restriktive Praxis in Niedersachsen gar weiter verschärft.“ Von den im Petitionsaus-schuss im vergangenen Jahr behandelten Fällen hätten mindestens die Hälfte gar nicht von der Härtefallkommission erörtert werden können, wenn die Ausschlusskriterien zur Anwendung gekommen wären, die der Landesregierung jetzt für die Härtefallkommission vorschweben. Die Iranerin Zahra Kameli, die nach langer öffentlicher Diskussion als erster „Härtefall“ in Niedersachsen anerkannt wurde, wäre der vom Land vorgelegten Verord-nung zufolge gar nicht erst zur Beratung zugelassen worden.

gez. Kai Weber
Geschäftsführer

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