(am) Auch Ahmed Siala, der Ehemann von Gazale Salame, soll Deutschland verlassen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht unter dem Vorsitz von Richter Dr. Dieter Heidelmann sprach sich gegen ein Bleiberecht für Siala aus.
„Ich muss jetzt versuchen, einen klaren Gedanken zu fassen“, sagt Ahmed Siala erschöpft. Seine Töchter Nura (8) und Amina (10) verstehen schon, worum es geht. Nach seiner Rückkehr aus Lüneburg muss er den Mädchen erzählen, dass das Gericht ihm nicht erlauben will, in Deutschland zu leben. Die Kinder wissen, was das bedeutet: Ihr Vater wird weiterkämpfen müssen, und das Wiedersehen mit ihrer Mutter Gazale Salame und ihren Geschwistern Schams und Ghazi rückt in unbestimmte Ferne. Salame Gazale ist bereits abgeschoben worden und lebt mit zwei ihrer vier Kinder in Izmir. Als Ahmed Siala am Dienstag den Gerichtssaal verlässt ist er fertig. „Wie soll ich das nur meiner Frau sagen“, sagt der 1,90 Meter-Mann immer wieder. Noch am Vorabend habe er mit ihr telefoniert. „Ein gutes Gespräch“, sagt er. Siala hat ihr, die in Izmir so sehr unter der Trennung von ihrer Familie leidet, Mut gemacht: „Bald ist alles gut“. Aber so sollte es nicht kommen.
Das Gericht entschied, dass Siala türkischer Staatsangehöriger ist. Dies hatte zuvor die Ausländerbehörde des Landkreises Hildesheim anhand einer Abstammungsliste herausgefunden. „Sie fanden einen Mann mit dem Namen Siala, aber mit dem bin ich nicht verwandt. Ein Bluttest könnte das belegen, das will aber niemand“, schimpft Siala. Er ist Libanese. Wie seine elf Geschwister kam er im Libanon zur Welt. Seine Familie gehört dem Volksstamm der Mahalmi an, die im Libanon als „Kurden“ bezeichnet werden. Siala war nie in der Türkei, spricht die Sprache ebenso wenig wie seine Frau zu dem Zeitpunkt ihrer Abschiebung. „Die Mahalmi galten als Staatenlose und das gaben Sialas Eltern bei der Einreise nach Deutschland vor 30 Jahren an“, erklärt Kai Weber vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat. „Alle Dokumente, die unsere libanesische Staatsbürgerschaft belegen, habe ich übersetzt und vom libanesischen Innen- und Außenministerium beglaubigen lassen“, erklärt Siala. 99 Prozent der Beweislage spreche für ihn, nur ein Prozent dagegen und das gebe den Ausschlag.
Ihm zur Last gelegt wird auch, dass er rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen wegen eines Vergehens gegen das Fleischhygienegesetz verurteilt wurde. „Ich verstehe das nicht. Schwer Straffällige dürfen hier bleiben und mir verzeiht man nicht, dass ich gegen das Hygienegesetz verstoßen habe“, sagt er und setzt sich erschöpft auf die Fensterbank im Flur des Oberverwaltungsgerichtes.
Immer wieder fragt er, was er bloß seiner Frau und den Mädchen sagen soll. Sein Bruder Abdul Nasser Siala, der ihn nach Lüneburg begleitet hat, schaut ihn nur ratlos an und zuckt mit den Schultern.
Die Töchter Nura und Amina sind an diesem Morgen nicht zur Schule gegangen. Denn schon früh herrschte große Aufregung im Hause Siala. Die Familie erreichte die Nachricht, dass ein Onkel in Essen gestorben ist. Sialas Mutter reiste allein zu den Verwandten, denn ihr Ehemann liegt nach drei Schlaganfällen in einem Hildesheimer Krankenhaus.
Am Nachmittag greift Siala zum Telefon und ruft schweren Herzens seine Frau in Izmir an. Sie will die Worte ihres Mannes nicht glauben. „Ich konnte sie nicht trösten, ich weiß nicht wie“, sagt er. Seine Rechtsanwältin Silke Schäfer hat Revision eingelegt. Somit geht der „Fall Siala“ an das Bundesverfassungsgericht. Wieder kommt auf die Familie eine Zeit des Hoffens und Bangens zu.
Eigentlich müsste Siala an diesem trüben Nachmittag seine Kinder etwas ablenken, mit ihnen spielen. Doch das kann der Vater jetzt noch nicht. „Ich muss eine Weile für mich sein, spazieren gehen und nachdenken“, erklärt er. Dabei zieht er allerdings den Rat des Richters Heidelmann, in die Türkei zu fliegen und dort mit der ganzen Familie auf das Urteil der Revision zu warten nicht in Betracht. Er hat Angst, dass danach die Türen nach Deutschland für immer verschlossen sein werden.
Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 04.10.2007
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