Aufruf von borderline europe
Palermo, 25.05.2011
Das Flüchtlingslager des UNCHR „Choucha“ im Süden Tunesiens ist „auf der Flucht“. Was bedeutet das?
Tunesien hat seit Beginn des Bürgerkriegs in Libyen Hunderttausende von Flüchtlingen aufgenommen. Diese wurden u.a. im Flüchtlingslager Choucha in der Nähe der libyschen Grenze untergebracht, ein Zeltlager, das vom UNCHR geleitet wurde.Am vergangenen Samstag, den 21.5.2011 kamen vier Menschen bei dem Brand von 21 Zelten ums Leben. Unklar ist, wie der Brand ausbrechen und auf Zelte übergreifen konnte, die auf er anderen Seite der Straße innerhalb des Lagers liegen. Das Lager in Choucha wurde am 24.2.11 vom UNHCR eingerichtet, in Hochzeiten der Libyen-Fluchten waren bis zu 20.000 Menschen dort untergebracht.
Jetzt befanden sich ca. 3500-4000 Flüchtlinge aus dem Subsaharaum in diesem Lager, die meisten von ihnen seit 3 Monaten. 3 Monate ohne Hoffnung, ohne Zukunft, denn Europa weigert sich, diese Flüchtlinge aufzunehmen. Gerade einmal ca. 900 Flüchtlinge haben die Zusage bekommen, in andere Staaten umgesiedelt zu werden (auch USA z.B) – aber diese 900 betreffen auch die Flüchtlinge an der ägyptisch-libyschen Grenze, denn hier warten auch Tausende auf Rettung.
Die Flüchtlinge können nicht zurück – wohin sollten sie gehen? In die Heimat können sie nicht, nach Libyen ebenso wenig. Sie sind gefangen in diesem Lagern, die ihnen keine Zukunft versprechen.
Die Bevölkerung in den Nähe des Lagers hat protestiert, da die Flüchtlinge die für sie lebenswichtige Handelsstraße nach Libyen besetzt hatten – vergessen wir nicht: auch Tunesien durchlebt ein mehr als schwierige Phase im neuen Demokratisierungsprozess. Die Wirtschaft liegt brach, konterrevolutionäre Kräfte versuchen Kraft zu schöpfen.
Vor dem Brand und der Vertreibung aus Choucha waren schon ca. 700 verzweifelte Flüchtlinge zurück nach Libyen gegangen, um eines der Boote zu besteigen, die nach Italien ablegen. Doch hier ist die Situation natürlich noch ungewisser – zum einen von Gaddafi-Truppen bei jedem Wetter in die Seelenverkäufer gezwungen, zum anderen zwischen 500 und 1000 € aufbringen müssend versuchen diese Menschen ihr Leben zu retten – und begeben sich auf dem Mittelmeer in die nächste Gefahr. Mindestens 1500 Menschen sind belegbar seit Jahresbeginn ertrunken. (siehe hier)
Tunesien kann diese humanitäre Katastrophe nicht allein bewältigen. Seit Monaten lässt man diesen Staat im Umbruch allein mit dem Problem der Flüchtlingsversorgung. Der tunesische Konsul von Palermo spricht von inzwischen 370.000 Flüchtlingen, die die Grenze zu Tunesien überquert haben, um von hier nach Hause zu kommen oder da bleiben mussten, weil niemand sie haben will.
Man kann nicht einen demokratischen Prozess begrüßen und zeitgleich die Hilfe verweigern, um ihn auch gelingen zu lassen. Die Versorgung der Flüchtlinge, ihre Aufnahme, ihr Schutz ist eine Gebot der Humanität, wir alle haben uns in Konventionen dem Schutz der Menschenrechte verschrieben. Wenn es jedoch ans Handel geht, dann zieht sich Europa schnellstmöglich aus der Verantwortung zurück.
Wir fordern eine Aufnahme der Flüchtlinge in Europa!
Mit verschiedenen Organisationen werden wir versuchen, einen dementsprechenden Appell zu formulieren und bitten Sie und Euch schon jetzt, zu überlegen, ob Sie/Ihr einen solchen unterstützen würdet.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...