Am 27.09.2007, wird das Oberverwaltungsgericht Lüneburg ab 9.00 Uhr über die Frage beraten, ob die Ausländerbehörde des Landkreis Hildesheim dem libanesischen Bürgerkriegsflüchtling Ahmed Siala im April 2001 seine Aufenthaltsbefugnis wegnehmen durfte.
Der Fall hat aufgrund der vom Landkreis Hildesheim im Februar 2005 durchgeführten Abschiebung der Frau von Ahmed Siala, Gazale Salame, bundesweit Aufsehen erregt, da die Familie durch diese behördliche Maß-nahme seit zweieinhalb Jahren getrennt ist (siehe hier). Grundsätzliche Bedeutung hat die Entscheidung des OVG Lüneburg jedoch nicht nur im Hinblick auf die Familientrennung, sondern auch in Bezug auf die Frage, ob einem Flüchtling, der fast sein ganzes Leben in Deutschland lebt, bestens integriert und faktisch zum Inländer geworden ist, sein Aufenthaltsrecht in Deutschland auch noch nach 22 Jahren unter Hinweis auf Vorfahren abgesprochen werden kann, die ihn und andere Familienmitglieder angeblich in einem anderen Land registrieren ließen, selbst wenn der Flüchtling von einer solchen Registrierung nichts wusste.
Der heute 28 Jahre alte Ahmed Siala floh als sechsjähriges Kind bereits im Jahr 1985 aus der „Hölle von Beirut“ nach Deutschland und erhielt im Jahr 1990 im Rahmen einer allgemeinen Bleiberechtsregelung, die u.a. Libanesen und staatenlose Kurden aus dem Libanon begünstigte, eine Aufenthaltsgenehmigung.
Mehr als zehn Jahre später entzog der Landkreis Hildesheim Ahmed Siala die Aufenthaltsbefugnis mit der fragwürdigen Begründung, seine Familie habe Vorfahren aus der Türkei und sei dort registriert.
Die Familie Siala gehört der ethnischen Gruppe der sog. „Mahalmi“ an, einer arabischsprachigen Minderheit, die ursprünglich in der Türkei in der Nähe von Mardin lebte und im Zuge der Türkisierungspolitik unter Atatürk ab Mitte der 1920er Jahre aus der Türkei in den Libanon floh. Im Libanon werden die Mahalmi als „Kurden“ bezeichnet. (Hintergründe: siehe hier)
Ahmed Siala hat mit der Türkei noch nie etwas zu tun gehabt. Es steht fest,
- dass seine Familie sich ab Mitte der 50er Jahre um die Erteilung der libanesischen Staatsbürgerschaft bemühte (die dann erst 1994 erfolgte, als die Familie längst in Deutschland war),
- dass alle seine elf Geschwister im Libanon geboren sind,
- dass er nie Gebietskontakt zur Türkei hatte, kein türkisch spricht, und
- dass auch nie ein türkischer Pass beantragt wurde.
Der Landkreis Hildesheim führt als Beweis für eine angeblich vorliegende türkische Staatsbürgerschaft von Ahmed Siala einen türkischen Registerauszug an, in dem eine Familie unter einem anderen Namen genannt ist, die gewisse ßhnlichkeiten mit Familie Siala aufweist. Allerdings werden in dem Registerauszug auch Personen aufgeführt, die es in der Familie Siala nicht gibt. Umgekehrt gibt es für einzelne Familienmitglieder der Familie Siala in dem Registerauszug keine Entsprechung. Wie der Registerauszug überhaupt zustande kam ist unklar.* Das Verwaltungsgericht Hannover bezeichnete die Begründung des Landkreises Hildesheim für die Abschiebungsentscheidung in seinem Urteil vom 21.06.2006 denn auch als „sehr dünn“ und hob die Entscheidung auf. Dagegen stellte der Landkreis Hildesheim auf Weisung des niedersächsischen Innenministeriums einen Berufungsantrag, der jetzt vor dem OVG Lüneburg zur Entscheidung kommt.
gez. Kai Weber
* Die Eintragungen sind von dem Betroffenen bzw. dessen gesetzlichen Vertreter vorzunehmen. In ländlichen Gegenden war es in der Vergangenheit oder ist es noch heute nicht unüblich, dass Eintragungen auch von entfernten Verwandten, Dritten oder Dorfvorstehern veranlasst werden.
Sehr geehrter Herr Siala,
ich wünsche Ihnen viel Erfolg morgen vor Gericht und drücke Ihnen die Daumen.
Auch Ihrer Frau wünsche ich, dass sie und die Kinder möglichst schnell hierher zurückkommen können!
Ich kann es gar nicht fassen, welch abartige Flüchtlings- und Asylpolitik hier in Niedersachsen an aller Menschlichkeit vorbei praktiziert wird!
Herr Schünemann, Sie sollten sich was schämen!
Ich schlage ein Wahlrecht vor für alle MigrantInnen und Flüchtline usw., die hier seit zwei Jahren leben.
Dann würde sich die Politik auch hier für Ihre Gesetzgebung und ihre Taten rechtfertigen müssen und könnte nicht in einem undemokratischen und rechtsfreien Raum Politik gegen Menschen machen.
Msg
Marlen Stryj
Auch ich bin empört und beschämt, dass so etwas in unserem sogenannten Rechtsstaat geschehen kann, Menschenleben (egal aus welchem Land) gelten hier wohl überhaupt nichts mehr. Wieviel Blut klebt schon an den Händen der verantwortlichen Personen.
Ich kann leider nicht viel tun, aber ich werde allen Freunden und Bekannten von dieser unmenschlichen Abweisung der Klage berichten und sie sensibel machen für diese Zustände, die in diesem Land herrschen. In diesen Momenten schäme ich mich, Deutsche zu sein.
Im Urteil heißt es: Im Namen des Volkes. Aber nicht in meinem Namen.
Der Familie Siala wünsche ich viel Kraft und alles Glück der Welt.
Ute März, Berlin