In scharfer Form kritisieren die BI Menschenwürde im Landkreis Stade und der Flüchtlingsrat Niedersachsen das Ansinnen der CDU im Landtag, Geflüchtete für die bestehende Wohnungsnot verantwortlich zu machen und ihnen „Missbrauch“ vorzuwerfen, wenn sie nach einer Anerkennung als Schutzberechtigte weiterhin in Gemeinschaftsunterkünften leben müssen.
Ingrid Smerdka-Arhelger von der BI Menschenwürde
„Was die CDU, vertreten durch die Landtagsabgeordneten Jan Bauer, André Bock und Birgit Butter, da betreiben ist Rassismus pur. Die CDU-Abgeordneten machen Geflüchtete verantwortlich für das Versagen ihrer Partei im Bereich des Sozialen Wohnungsbaus.“
Deutschland fehlen derzeit 550.000 Sozialwohnungen. Seit Mitte der neunziger Jahre sinkt die Zahl der Sozialwohnungen kontinuierlich: Gab es 2006 waren es noch zwei Millionen, sind es aktuell nur noch knapp über eine Million. Geflüchtete zu Sündenböcken für diese Entwicklung zu machen und diesen Menschen, Flüchtlingen mit einem Schutzanspruch, Bußgelder anzudrohen, weil sie keine Wohnung finden und weiterhin in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften leben müssen, ist nichts als purer Zynismus. Für den Mangel an bezahlbaren Wohnungen ist allein die Politik von Bund, Ländern und Kommunen verantwortlich.
Asylsuchende dürfen sich bekanntlich ihren Wohnort nicht aussuchen: Sie werden ohne Rücksicht auf verwandtschaftliche Beziehungen nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt, wo sie zunächst in einer Landesaufnahmeeinrichtung leben müssen und schließlich einer Kommune zugewiesen werden. Verwandtschaftliche Verhältnisse und persönliche Interessen können, aber müssen nicht berücksichtigt werden. In der Kommune werden sie einer Unterkunft zugewiesen und erhalten eine Wohnsitzauflage, die sie verpflichtet, in einer bestimmten Region zu wohnen. Dass es auch anders geht, zeigt die Aufnahme der ukrainischen Geflüchteten, denen man eine viel größere Autonomie bei der Wahl ihres Aufenthaltsortes eingeräumt und bei denen man auf einen Lagerzwang verzichtet hatte.
Erst nach einer Schutzgewährung haben Geflüchtete die Möglichkeit, sich eine Wohnung auch anderswo zu suchen, beschränkt allerdings durch eine sog. negative Wohnsitzauflage. Sie wünschen sich in der Regel nichts sehnlicher als einen Ort für sich, der ihnen endlich Privatsphäre, Autonomie und ein Gefühl von „Ankommen“ vermittelt. Das Leben in Gemeinschaftunterkünften ist in der Regel bestimmt von vielfältigen Restriktionen und Einschränkungen und alles andere als reizvoll. Eine Wohnung finden sie oft auch einfach deshalb nicht, weil Geflüchtete aus rassistischen Gründen diskriminiert werden.
Kai Weber, Flüchtlingsrat Niedersachsen, Geschäfsführer
„Die öffentliche Beschimpfung der Betroffenen, wie sie die Abgeordneten Bauer, Bock und Butter vornehmen, schürt Hass und Hetze und wird die Vermittlungschancen weiter verschlechtern.“
Nicht erwähnt hat die CDU, dass das Bewohnen einer Gemeinschaftsunterkunft auch finanziell alles andere als lukrativ ist: Für die Belegung eines Platzes in einer Gemeinschaftsunterkunft werden Nutzungsgebühren erhoben. Für etwas mehr als 10 m² bei Doppelbelegung erhält die Stadt Stade dann z.B. 460 €. Buxtehude kassiert bei Doppelbelegung im Container nach aktueller Gebührensatzung sogar 1000 €, 500 € pro Person. Eine fünfköpfige Familie kann das nicht durch Arbeit erwirtschaften. Und eine weitere Wohnung wird dadurch auch nicht geschaffen.
Wenn Stade besonders viele Menschen mit Schutzanspruch in Gemeinschaftsunterbringung beherbergt, zeugt das vor allem von einer mangelnden Unterstützung der Betroffenen durch die Kommune: Es braucht ein Auszugsmanagement und sozialarbeiterische Unterstützung durch die Kommune, damit Geflüchtete eine Chance auf eine eigene Wohnung haben. Das immerhin hat Buxtehude seit kurzem in Angriff genommen. Darüber hinaus braucht es eine Überarbeitung seines Wohnraumversorgungskonzeptes. Der Landkreis Stade sollte z.B. darüber nachdenken, dem Beispiel wie anderer Kommunen (wie etwa die Region Hannover) zu folgen und ein eigenes Wohnungsförderungsprogramm aufzulegen.
Anlage: Anfrage der CDU CDU-Anfrage Maßnahmen gg missbräuchliche Nutzung v GU durch Geflüchte mit AE 19-06681 2025-02-28
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