Im Fall zweier unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aus dem Kosovo hat das Verwaltungsgericht Münster am 19.04.2011 das BAMF zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 AufenthG verpflichtet.
Die beiden Jugendlichen, die zur Zeit bei einem Cousin im Landkreis Wesermarsch leben, sind im Dezember 2009 mit ihrer Mutter in den Kosovo abgeschoben worden. Im Dezember 2010 reisten sie erneut nach Deutschland ein. Da sie den Kontakt zu ihrer Mutter auf der Flucht verloren haben, hat ein Cousin die Vormundschaft übernommen. Im Januar versuchte der Landkreis Wesermarsch, die Jugendlichen in den Kosovo abzuschieben. Die Abschiebung wurde durch einen Eilbeschluss des VG Münster verhindert. (siehe dazu „Skandalöser Umgang mit UMF“ )
Das niedersächsische Innenministerium hatte auf Anfrage von Bündnis90/Die Grünen den Umgang des Landkreises Wesermarsch mit den minderjährigen Flüchtlingen verteidigt und keinen Verstoß gegen Kinderrechte ausmachen wollen. Dagegen hatte der Flüchtlingsrat in einer fachlichen Stellungnahme Position bezogen. Die beiden grünen Landtagsabgeordneten Ina Korter und Filiz Polat hatten daraufhin Innenminister Schünemann in einem „Offenen Brief“ angegriffen.
In der nunmehr vorliegenden Hauptsacheentscheidung vom 19.04.2011 begründet das VG Münster die Zuerkennung von Abschiebungshindernissen damit, dass die beiden Minderjährigen alleine auf sich gestellt ihr Existenzminimum im Kosovo nicht sichern könnten. Angesichts der wirtschaftlichen Situation und des sehr niedrigen Sozialhilfeniveaus im Kosovo sei nicht erkennbar, wie es den Jugendlichen gelingen könnte, ihre Existenz ohne Hilfe Dritter zu sichern. Dies gelte umso mehr, „als die Kläger in der Bundesrepublik Deutschland geboren sind und hier ihr ganzes Leben verbracht haben mit der Folge, dass ihnen auch die Verhältnisse im Kosovo vollkommen fremd sind.“
Bezüglich im Kosovo lebender Verwandter, namentlich einer Tante der Jugendlichen mit ihrer Familie, hat das Gericht keine Zweifel an der Darstellung der Betroffenen, nach der von diesen Verwandten keine Hilfe zu erwarten sei. Auch wenn davon auszugehen sei, dass familiäre Hilfe im Kosovo einen wichtigen Stellenwert hat, sei es „ohne weiteres plausibel, dass angesichts der geschilderten Verhältnisse die familiäre Hilfsbereitschaft auch Grenzen hat.“
Schließlich führt das Gericht mit Verweis auf den Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom Dezember 2010 aus, dass die Jugendlichen auch nicht auf die staatliche Fürsorge verwiesen werden könnten. Es sei völlig ungewiss, ob die Kläger in einem der beiden existierenden Schutzhäuser, deren Kapazität bei nur je 10 Personen liegt, aufgenommen werden könnten.
Abschließend sei festzuhalten, „dass die Kläger bei einer Rückkehr in den Kosovo in eine vollkommen ungewisse Situation geraten würden, in der weder ihre Unterbringung noch ihre Gesundheitsfürsorge und erst recht nicht ihr Existenzminimum als gesichert angesehen werden kann.“
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