Im Abschiebungshaftgefängnis Langenhagen sind derzeit mehrere Iraker inhaftiert, die nach Bagdad abgeschoben werden sollen. Unter ihnen ist auch der 30-jährige Êzîde, Badi Juki S.*, aus der Region Shingal, in der sich 2014 der Genozid an den Jesiden durch den IS ereignete. Der Flüchtlingsrat fordert, die Abschiebung abzubrechen. Die Êzîdische Akademie ruft für heute, den 14. Februar, zu einer Demonstration gegen Abschiebungen in den Irak und für ein Aufenthaltsrecht für Êzîd*innen um 12 Uhr in Hannover auf.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen unterstützt den Protest gegen die geplante Charterabschiebung aus Hannover in den Irak. Nach Ansicht der Organisation sind Abschiebungen in den Irak grundsätzlich problematisch: „Die Sicherheitslage in Gesamt-Irak bleibt volatil. Die Zahl der terroristischen Anschläge vor allem in Nord- und Zentralirak ist seit Langem sehr hoch“, stellt das Auswärtige Amt fest. Seit der Zerschlagung des IS ist das Land politisch, konfessionell und territorial tief gespalten. Die befreiten Gebiete liegen in Trümmern. Die Verwaltung funktioniert nur rudimentär, die Wirtschaft liegt am Boden, viele Menschen sind arbeitslos und kämpfen um ihr Überleben. Besonders betroffen sind jedoch die durch den Genozid vor 10 Jahren vertriebenen Êzîd*innen.
Simon Wittekindt, vom Projekt Beratung in Abschiebungshaft beim Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.:
„Der Genozid hat auch bei Badi Juki S.* und seiner Familie unheilbare Wunden hinterlassen. Es zeugt von einer unmenschlichen Kälte, Herrn S. nun erneut von seiner Familie zu trennen und ihn in ein Land abzuschieben, in dem das Leben aller Êzîd*innen nach wie vor von Islamisten bedroht ist. In ein Land, in dem auch zehn Jahre nach dem Genozid zehntausende Êzîd*innen gezwungen sind, in unterversorgten Flüchtlingslagern im Elend zu leben, ohne dass sie auch nur den Hauch einer Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben haben. Deshalb appellieren wir an die Landesregierung: Zeigen sie Menschlichkeit, brechen Sie die Abschiebung ab von Badi Juki S.* ab und geben sie ihm ein Bleiberecht!“
Ein Teil der Familie von Herrn S. wurde im Genozid 2014 durch den IS ermordet. Viele Familienangehörige leben heute in Hannover. Einer seiner Brüder hat mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit. 2019 hat Herr S. erfolglos Asyl in Deutschland beantragt. Die Ausländerbehörde der Region Hannover betreibt nun die Abschiebung des jungen Mannes und reißt die Familie damit erneut auseinander.
Die Abschiebung von Menschen, auch von Êzîd*innen, wird häufig mit einem Ausweisungsinteresse aufgrund von Straftaten in Deutschland gerechtfertigt. So zweifelhaft wir diese Rechtfertigung auch grundsätzlich finden, bei Herrn S. kann sie von der Region Hannover nicht bemüht werden. Der 30-Jährige hat keine Straftaten begangen, er ist in dieser Hinsicht ein unbeschriebenes Blatt. „Badi hat keiner Fliege etwas zu Leide getan“, versichert uns einer seiner Brüder.
Dass das Land die Abschiebung von Badi Juki S.* nun zulässt, ist auch aus einem anderen Grund fragwürdig: Die niedersächsische Innenministerin Behrens hat vor knapp neun Monaten selbst erklärt, dass das BAMF viele Asylanträge mit dem falschen Argument ablehne, dass es für Êzîd*innen im Irak eine inländische Fluchtalternative gäbe, obwohl eine solche Fluchtalternative laut der Innenministerin „faktisch nicht gegeben ist.“ Anfang Dezember endete der Abschiebungsstopp für weibliche und minderjährige Êzîd*innen aus dem Irak. Seitdem sind Abschiebungen von ausreisepflichtigen Êzîd*innen aus Niedersachsen in den Irak wieder uneingeschränkt möglich.
Bedauerlicherweise hat Innenministerin Behrens die Forderung des Flüchtlingsrats abgelehnt, den Schutz für Êzîd*innen aus dem Irak in Niedersachsen auch nach Auslaufen des Abschiebungsstopps zu verlängern und sich der Initiative Schleswig-Holsteins für ein Aufnahmeprogramm zugunsten der Betroffenen anzuschließen. Das Bundesinnenministerium habe, so die Innenministerin, das notwendige Einvernehmen für eine Verlängerung des Abschiebungsstopps nicht erteilt. Daraus schließt Innenministerin Behrens, dass das BMI auch das Einvernehmen für eine Aufnahmeanordnung nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz verweigern würde.
Noch am 17. Januar 2023 hatte der Deutsche Bundestag auf Antrag von SPD, CDU/CSU, Grünen und der FDP einstimmig beschlossen, die Verbrechen gegen Êzîd*innen im Irak durch den IS als Genozid anzuerkennen. „Ihre sichere Rückkehr [ist] aufgrund der hoch volatilen Sicherheitslage, die noch immer in Sinjar vorherrscht, kaum möglich […].“ Deshalb wolle die Bundesregierung ihnen „[…] weiterhin unter Berücksichtigung ihrer nach wie vor andauernden Verfolgung und Diskriminierung im Rahmen des Asylverfahrens Schutz […] gewähren […]“
Dieses Schutzversprechen wird mit der Abschiebung von Badi Juki S. und allen weiteren Abschiebungen von Êzîd*innen in den Irak mit Füßen getreten.
* Name geändert
Ich finde es unnötig das er auf einmal ohne ein Chance zu bekommen abgeschoben wird, er sollte wenigstens eine Chance zu bekommen um sich zu beweisen
يقتلون بسم دين ليس لنا العيش في العراق
Rechtliche Argumentation gegen die Abschiebung von Badi Juki S.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die geplante Abschiebung von Badi Juki S. in den Irak verstößt sowohl gegen das deutsche als auch gegen das internationale Recht. Insbesondere widerspricht sie den menschenrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands sowie den klaren Feststellungen des Deutschen Bundestages, der die Verbrechen des IS gegen die Êzîd*innen als Völkermord anerkannt hat.
1. Verstoß gegen das Verbot der Abschiebung in unsichere Gebiete (§ 60 Abs. 5 und 7 AufenthG)
Gemäß § 60 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) darf eine Abschiebung nicht erfolgen, wenn sie gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt. Artikel 3 EMRK untersagt die Abschiebung in ein Land, in dem der Betroffene unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt wäre.
Darüber hinaus schützt § 60 Abs. 7 AufenthG Personen vor Abschiebung, wenn ihnen im Herkunftsland eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Die Bundesregierung hat selbst festgestellt, dass die Sicherheitslage im Irak, insbesondere für Êzîd*innen, weiterhin katastrophal ist. Zehntausende leben unter elenden Bedingungen in Flüchtlingslagern, und die Gefahr erneuter Angriffe islamistischer Gruppen ist allgegenwärtig.
2. Missachtung der völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands
Deutschland ist als Unterzeichner der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) verpflichtet, Schutzsuchenden, die vor Verfolgung fliehen, nicht in ein Land zurückzuschicken, in dem ihnen Verfolgung droht (Non-Refoulement-Prinzip, Art. 33 GFK). Die Anerkennung des Genozids an den Êzîdinnen durch den Bundestag bestätigt, dass Êzîdinnen im Irak weiterhin einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt sind.
3. Widerspruch zur Erklärung der niedersächsischen Innenministerin Behrens
Innenministerin Behrens hat selbst festgestellt, dass es für Êzîd*innen im Irak keine realistische inländische Fluchtalternative gibt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnt jedoch weiterhin Anträge mit dem gegenteiligen Argument ab. Dies zeigt eine gravierende Inkonsequenz der Behörden, die nicht auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen werden darf.
4. Unzumutbare Härte und familiäre Bindungen in Deutschland (§ 25 Abs. 5 AufenthG)
Badi Juki S. hat keine Straftaten begangen und lebt in Deutschland im familiären Umfeld. Sein Bruder besitzt bereits die deutsche Staatsangehörigkeit. Gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG kann einer Person ein Bleiberecht erteilt werden, wenn die Abschiebung unzumutbar ist – insbesondere bei tiefgreifenden familiären Bindungen. Die Abschiebung würde ihn nicht nur von seiner Familie trennen, sondern auch erneut in eine Situation existenzieller Unsicherheit und Bedrohung bringen.
Forderung an die niedersächsische Landesregierung
Angesichts der gravierenden Gefahren, die Badi Juki S. im Irak drohen, und der eindeutigen rechtlichen Grundlagen fordern wir die Landesregierung dringend auf, die Abschiebung zu stoppen. Niedersachsen muss seiner Verantwortung gerecht werden und ein Zeichen für den Schutz von Êzîd*innen setzen.
Wir appellieren an die Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit der Entscheidungsträger: Lassen Sie nicht zu, dass Deutschland mit dieser Abschiebung seine völkerrechtlichen und humanitären Verpflichtungen bricht. Geben Sie Badi Juki S. das Bleiberecht, das ihm nach Recht und Gewissen zusteht!
einfach abschieben, um mit hohen Abschiebezahlen flexen zu können, ist zutiefst menschenverachtend. Ich drücke ihm die Daumen, dass dies noch verhindert wird!
Halgord Omar Rasool
Löwenberger Str. 4
10315 Berlin
017682402113
Sehr geehrte Damen und Herren
Als freier Journalist möchte ich fragen ! die irakischen Flüchtlinge befragen, die am 17. Februar 2025 von Hannover nach Bagdad abgeschoben werden sollen: wenn Sie info haben!!!
Was ist der Grund für ihre Abschiebungen?
Sind die alle Straftäter?
Oder liegt es daran, dass manche Menschen kein Asyl bzw. mit Duldung bekommen haben?
Viele Iraker in Deutschland und im Irak wissen die Antwort noch immer nicht.
Ich möchte es veröffentlichen
Mit freundlichen Grüßen
Halgord Omar
Wir kennen nicht die Akten aller Betroffener. Derzeit gehen wir davon aus, dass die Abschiebung schlicht damit begründet wurde, dass die Betroffenen im Asylverfahren nicht anerkannt wurden und kein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen erworben haben. Seit 2023 sind Abschiebungen in den Irak grundsätzlich wieder möglich.
Kai Weber
Gisela Jordan
Seit 2015 bin ich ehrenamtlich für geflüchtete Menschen tätig. Eine enge Freundschaft gesteht zu einer 9 köpfigen Familie. Ausserdem kenne ich weitere yesidische Menschen aus unserer Region. Alle haben sich gut integriert. Gehen arbeiten oder zur Schule. Sie möchten in Frieden leben, nach all dem Leid, was den Yesiden angetan wurde. Die Geschichten sind grauenvoll und erinnern an die Judenverfolgung. Will man wirklich diese Menschen seinem Schicksal überlassen und in den Irak zurück schicken?
Eine Versicherung von der Familie, dass er keine Straftaten begangen hat, reicht euch aus?
Hier hätte ich mir eine bessere Recherche gewünscht.
Das ist nämlich aus meiner Sicht der einzige Grund, weshalb ich die Abschiebung befürworten würde und hier würde mich die Stellungnahme einer offiziellen Behörde interessieren.
Es ist nur noch beschämend!
Zumal seit Ende 2023/Anfang 2024 diverse Petitionen und Beschwerden, die von zigtausenden Menschen in Solidarität mit abschiebebedrohten Völkermord überlebenden Jesid:innen unterzeichnet wurden, beim Bundespetitionsausschuss zu diesem Thema eingegangen sind.
Ich persönlich hatte unter dem zusammengefassten Aktenzeichen Pet 1-20-06-262-028615 am 08.03.24 die Mitteilung erhalten, dass eine parlamentarische Prüfung eingeleitet wurde und der Bundestag auf Empfehlung des Petitionsausschuss einen Beschluss hierzu fassen würde.
– Nach über einem Jahr ist nichts geschehen und diese Menschenrechtsverletzungen gehen weiter –
Ich möchte hiermit jedem, der sich gegen dieses Unrecht einsetzen möchte, empfehlen, vielleicht einmal beim Petitionsausschuss oder dem BMI nach dem Sachstand zu fragen.
Aufgrund des durch Herrn Joachim Stamp geschlossenen, nicht öffentlich einsehbaren und intransparenten Rückführungsabkommen mit dem Irak, kommt es seit Oktober 2023 plötzlich dazu, dass Jesid:innen unterschiedslos abgeschoben werden.
Öffentlich wurde zu dem geheimen Rückführungsabkommen lediglich kommuniziert, dass der Irak seitdem alle irakischen Staatsbürger zurücknimmt und nicht mehr, wie zuvor, nur irakische Straftäter oder Gefährder. Falls die nun praktizierte kollektive Abschiebung von potenziell tausenden Jesid:innen, die keinen Schutzstatus erhalten haben, lediglich durch die generelle Rücknahmebereitschaft des Irak, ohne weitere Differenzierung und Analyse, begründet sein sollte, halte ich dies für rechtswidrig.
Bevor man Jesid:innen abschiebt, hätte eine eindeutige Analyse zur sicheren, menschenwürdigen Rückkehrmöglichkeit spezifisch für diese Gruppe durchgeführt werden müssen und dies ist augenscheinlich bis heute nicht geschehen.
Die Bundesregierung hätte zumindest eine detaillierte Länderanalyse zum Irak durchführen müssen, insbesondere zur Situation der Jesid:innen, um zu beurteilen, ob eine Rückführung unter Beachtung humanitärer und völkerrechtlicher Gründe überhaupt möglich ist.
Hierzu gehört die aktuelle Sicherheitslage im Irak zu bewerten, insbesondere in den Regionen, aus denen die Jesid:innen stammen. Dabei sollte berücksichtigt werden, ob es noch immer Bedrohungen durch terroristische, islamistische Gruppen und andere bewaffnete Konflikte durch diverse Akteure in ihrer Heimatregion gibt.
Die Menschenrechtslage im Irak sollte eingehend untersucht werden, insbesondere in Bezug auf die Rechte von Minderheiten wie den Jesid:innen. Es sollte geprüft werden, ob die irakische Regierung angemessene Maßnahmen ergriffen hat, um die Rechte und Sicherheit der Jesid:innen zu gewährleisten.
Es wäre zu prüfen, ob die jesidische Gemeinschaft im Irak angemessen integriert und gleichberechtigt ist und Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Unterkunft, Gesundheitsversorgung, Ernährungssicherheit, Bildung und Beschäftigung hat.
Es sollte analysiert werden, ob Jesidi:innen im Irak nach ihrer Rückkehr Diskriminierung oder Gewalt ausgesetzt sein könnten und welche Schutzmaßnahmen getroffen werden können, um ihre Sicherheit zu gewährleisten.
Ebenso wäre zu prüfen, ob eine Rückführung der Jesid:innen in den Irak mit den Grundsätzen des Völkerrechts vereinbar ist.
Der Bundesregierung fehlt es hierzu nicht an eindeutigen Erkenntnismittel und jedem politisch Verantwortlichem ist die Situation seit langem bekannt.
Die jesidische Gemeinschaft hat aufgrund ihrer historischen Verfolgung und der Gräueltaten, die sie durch den sogenannten Islamischen Staat im Irak erleiden musste, besondere Schutzbedürfnisse. Sollte eine Rückführung von Völkermord überlebenden Jesid:innen als nicht sicher oder zumutbar erachtet werden, müssen alternative Lösungen wie beispielsweise ein dauerhafter Schutzstatus in Deutschland in Betracht gezogen werden.
Durch das Nichtstun der Bundesregierung sind friedliche Jesid:innen weiterhin von Abschiebung bedroht. Dem vorherrschenden politischen Willen oder Unwillen und den Machtverhältnissen in den Ländern unterworfen. Es ist unerträglich, dass aufgrund der Schwäche zur Differenzierung der Bundesregierung, mittlerweile die AfD und der gefühlte Abschiebedruck faktisch bereits über die Abschiebungen eigentlich schutzbedürftigen Jesid:innen entscheidet.
Es ist Aufgabe der Bundesregierung sicherzustellen, dass gravierende Grundrechtseingriffe, wie Haft und Abschiebungen in den Ländern im Einklang mit den allgemein gültigen Grundrechten und völkerrechtlichen Verpflichtungen stehen. In den Ländern findet keine sachgerechte und potenziell gerechtfertigte Differenzierung statt, vielmehr kommt es zu willkürlicher Ungleichbehandlung bei gleichen Sachverhalten. Schlimmer noch, die Opfer schlimmster islamistischer Massengräuel werden unterschiedslos islamistisch motivierten Straftätern und Gefährdern gleichgesetzt.
Das es nun auch in Niedersachsen, nach dem Auslaufen des Abschiebestopps dazu kommt, ist einfach unfassbar.
Christiane Maurer