Wenn der Schutzraum zur Falle wird – Stadt Osnabrück und Land schieben aus dem AMEOS-Klinikum ab
Der durch die aufgepeitschten Asyldebatten erzeugte Druck, die Abschiebezahlen auf Biegen und Brechen in die Höhe zu treiben, führte diese Woche zur Abschiebung eines suizidalen Gambiers aus dem AMEOS-Klinikum in Osnabrück. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen verurteilt den Bruch des Schutzraumes Krankenhaus durch die Stadt Osnabrück, die Landesaufnahmebehörde sowie die Polizei und kritisiert das Klinikum für seine Mitwirkung. Die Organisation fordert von der Landesregierung, Abschiebungen aus Krankenhäusern zu verbieten.
Am 28. Januar 2025 wurde der gambische Staatsangehörige Lame K.* auf Betreiben der Ausländerbehörde Osnabrück aus der psychiatrischen Klinik der AMEOS Gruppe in Osnabrück nach Gambia abgeschoben. Dabei wurde durch die in Amtshilfe eingesetzten Polizeibeamt*innen massive körperliche Gewalt angewendet. Der Betroffene wurde an Händen und Füßen gefesselt und, als er sich zu Boden warf, mit dem Knie auf Kopf und Hals fixiert. Das berichten neben dem Betroffenen auch Zeug*innen der Gruppe No Lager Osnabrück in einer Pressemitteilung. Drei Tage zuvor hatte sich der 34-Jährige auf Bitten seines Umfelds hin einweisen lassen, weil er sich in einer schweren psychischen Krise befand. Am 13. Januar 2025 wurde Lame K. in Abschiebungshaft genommen, eine Woche später aber aufgrund eines Beschlusses des Landgerichts Osnabrück wieder entlassen, da das Gericht keine Anhaltspunkte dafür sah, dass er sich seiner Abschiebung entziehen werde, sodass es auch keinen Grund dafür gab, ihn in Abschiebungshaft zu nehmen.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert die Abschiebung aus der psychiatrischen Klinik und die Rolle des AMEOS scharf. Krankenhäuser müssen Orte des Schutzes, der Fürsorge und der Heilung sein. Ärzt*innen und Pflegekräfte stehen in der Verantwortung, der Gesundheit und dem Wohlergehen ihrer Patient*innen oberste Priorität einzuräumen. Am Morgen des 28. Januar aber hat das AMEOS-Klinikum den Vollzug der Abschiebung eines Schutzbefohlenen nicht nur augenscheinlich widerstandslos hingenommen, sondern sogar aktiv unterstützt. Wie uns vor Ort anwesende Unterstützer*innen und Aktivist*innen der Gruppe No Lager Osnabrück berichteten, setzten die Polizeibeamt*innen einen Rollstuhl der Klinik als Hilfsmittel ein. Das Klinikpersonal des AMEOS sah tatenlos mit an, wie ihr Patient in einem Zustand von Panik und Verzweiflung auf dem Gelände der Klinik gewaltsam fixiert und gefesselt wurde. Statt ihrem Patienten zu Hilfe zu kommen und aus ihrer medizinischen Verantwortung heraus zu intervenieren, setzten die Klinikverantwortlichen viel daran, die entsetzten Zeug*innen vom Geschehen abzuschirmen.
Muzaffer Öztürkyilmaz, Geschäftsführung, Flüchtlingsrat Niedersachsen:
„Abschiebungen aus Schutzräumen wie Krankenhäusern erschüttern das Vertrauen in medizinische und therapeutische Einrichtungen massiv. Es darf niemals zum Normalzustand werden, dass ausreisepflichtige Personen und Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel gewalttätige Abschiebungen befürchten müssen, wenn sie sich in Momenten psychischer Krisen bis hin zu akuter Suizidalität in psychiatrische Kliniken begeben. Das Ergebnis wäre der faktische Ausschluss unzähliger Menschen aus dem Gesundheitssystem und eine Verschärfung der psychischen Notlagen.“
Der Ausländerbehörde Osnabrück war bekannt, dass sich Lame K. seit Jahren um eine Verbesserung seiner psychischen und körperlichen Verfassung bemühte. Die drohende Abschiebung löste in ihm starke Ängste aus. Dennoch wechselte er nach der Entlassung aus der rechtswidrig angeordneten Abschiebungshaft nicht etwa seinen Wohnort oder entzog sich anderweitig dem Zugriff der Behörden. Vielmehr begab er sich in psychiatrische Behandlung und informierte die Ausländerbehörde hierüber. Der Vollzug der Abschiebung hätte unter diesen Umständen niemals stattfinden dürfen und zeugt von dem geradezu verbissenen Versuch, die Abschiebezahlen in die Höhe zu treiben. Die Härte, mit der außerdem von Seiten der Polizei gegen die herbeigeeilten Unterstützer*innen von No Lager Osnabrück vorgegangen wurde, die gegen die Abschiebung protestierten, war völlig unverhältnismäßig. Der Flüchtlingsrat stellt sich der Kriminalisierung von und Repression gegen Menschen entgegen, die sich mit von Abschiebung bedrohten Menschen solidarisieren. Dass in Osnabrück nur zwei Tage nach der Abschiebung rund 500 Menschen spontan vor der Ausländerbehörde demonstrierten, um ihre Solidarität mit Lame K. und ihre Wut über die Abschiebung auszudrücken, ist ein wichtiges und beeindruckendes Zeichen.
Die Abschiebung von Lame K. war nicht die erste Abschiebung aus dem AMEOS-Klinikum in Osnabrück. Im März 2023 berichtete No Lager Osnabrück von der Dublin-Abschiebung eines Iraners, der sich zuvor wegen schwerer Suizidalität in Behandlung begeben hatte.
Kontakt
Flüchtlingsrat Niedersachsen
Muzaffer Öztürkyilmaz
0511 98246038
moy@nds-fluerat.org; nds@nds-fluerat.org
Pressemitteilung von No Lager Osnabrück vom 31.01.2025: https://nolageros.noblogs.org/post/2025/01/31/pm-gewaltvolle-abschiebung-aus-dem-ameos-klinikum/
*Name auf Wunsch des Betroffenen geändert
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