175 Menschen demonstrierten am Samstag gemeinsam in Leer gegen eine schikanöse Praxis der Ausländerbehörde Leer gegenüber geflüchteten Menschen.
Aufgerufen zu der Demonstration unter dem Motto: “Kein Mensch ist illegal – Solidarität statt Abschiebung!“ hatte das OAT Nord-West (Offenes Antifaschistisches Treffen Nord-West) und die Afrikanische Diaspora Ostfriesland e.V., der Flüchtlingsrat unterstützte
den Aufruf zur Demo. Die Geflüchteten und ihre Unterstützer*innen werfen der Behörde vor, durch fragwürdige Praktiken die Umwandlung des sog. „Chancen-Aufenthaltsrechts“ nach 18 Monaten in ein sicheres Aufenthaltsrecht nach §25b Aufenthaltsgesetz zu verweigern und
stattdessen die Abschiebung einzuleiten. Geflüchtete Menschen hatten kurz vor Beginn der Demonstration aus Angst vor weiteren Repressionen der Ausländerbehörde ihren Redebeitrag zurückziehen müssen, dafür wurde dieser dann solidarisch vom OAT Nord-West vorgetragen.
Ali Kone, Vorsitzender des Afrikanische Diaspora Ostfriesland e.V.:
„Stellt euch vor, was das bedeutet: Ein Mensch gibt seinen Reisepass ab, weil er die Hoffnung hat, ein legales Leben hier zu führen. Gleichzeitig kann dieser Schritt genutzt werden, um ihn abzuschieben, weg von allem, was er sich aufgebaut hat. Es ist eine unmenschliche Situation, die Betroffene in eine permanente Lage der Angst zwingt.“
Obwohl die Geflüchteten bereits einen Test „Leben in Deutschland“ bestanden, Sprachkenntnisse in Prüfungen nachgewiesen und ein Bekenntnis zur „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ abgelegt haben, führt die Ausländerbehörde unangekündigt zusätzliche Befragungen durch und verunsichert damit die Antragstellenden, die in dieser angsterfüllten Situation nichts Falsches sagen wollen. Als Folge behauptet die Behörde, dass die Menschen sich nicht genug auskennen würden mit der Ordnung und dem Leben in Deutschland.
Dazu Gabi Schmidt-Leffers vom OAT Nord-West:
„Diese Befragungen sind nicht im Gesetz vorgesehen! Die Ausländerbehörde versucht nur noch im letzten Moment, keine Aufenthaltstitel erteilen zu müssen. Das Ermessen, das jeder einzelne der Behördenmitarbeiter hat, wird derzeit aktiv genutzt, um Menschen ihre Aufenthaltstitel zu verwehren – selbst wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Es ist kein Rechtsanspruch, der fair und transparent umgesetzt wird, sondern eine Willkür, die von den Behörden ausgehend Angst und Hoffnungslosigkeit erzeugt. Menschen, die alles getan haben, um sich zu integrieren und einen Beitrag zu leisten, haben ein Recht auf wohlwollende Behandlung durch die Behörden.“
Auch Caroline Mohrs vom Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert diese Praxis scharf:
„In den von uns begleiteten Fällen gibt es keine Hinweise darauf, dass die Betroffenen den Inhalt des abgegebenen Bekenntnisses zur freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht verstanden haben. Somit ist fraglich, auf welcher Rechtsgrundlage die Ausländerbehörde überhaupt eine weitere Abfrage durchführt und komplizierte zusätzliche Fragen stellt, die offenkundig das Niveau A2 übersteigen. Überdies fehlen von den Betroffenen selbst unterschriebene Protokolle zu diesen Befragungen, sodass fraglich ist, ob die in den Ablehnungsbescheiden wiedergegebenen Fragmente über die Befragungen überhaupt den Tatsachen entsprechen. Mit dieser Praxis muss Schluss sein, und die Betroffenen müssen endlich ihr Recht auf eine dauerhafte Bleibeperspektive bekommen.“
Hintergrund: Chancen-Aufenthaltsrecht
Das Chancen-Aufenthaltsrecht vermittelt in Deutschland Menschen, die langjährig mit Duldung leben, die hier arbeiten, lernen, und Teil unserer Gesellschaft geworden sind eine Perspektive. Sie bekommen für 18 Monaten eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe: Um nach diesem Zeitraum ein Aufenthaltsrecht nach §25b AufenthG zu erhalten, müssen die Menschen eine Arbeit nachweisen, eine eigene Wohnung haben, straffrei sein, den Test „Leben in Deutschland“ (Einbürgerungstest) abgeschlossen haben und mündliche Deutschkenntnisse mindestens auf Niveau A2 vorweisen. Der größte Schritt ist für viele der Nachweis der Identität und die Vorlage eines gültigen Reisepasses.
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