Flüchtlingsrat kritisiert Landesregierung: Gestaltung der Bezahlkarte stigmatisiert Schutzsuchende

Der Flüchtlingsrat Niedersachen kritisiert die Einführung einer diskriminierenden Bezahlkarte für Asylsuchende in Niedersachsen als stigmatisierend. Die Organisation fordert die Landesregierung auf, alle Maßnahmen zu unterlassen, die eine Ausgrenzung und Abschreckung von Geflüchteten zum Ziel haben, und allem Menschen in Niedersachsen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen.

„Die niedersächsische Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, „Rassismus mit aller Kraft“ zu bekämpfen, und versprochen, „dass alle ankommenden Geflüchteten in Niedersachsen gleich behandelt werden und ihnen möglichst schnell ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird“, stellt Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat fest. „Die vom Land Niedersachsen mit dem heutigen Tag eingeführte Bezahlkarte missachtet dieses Versprechen“.

Die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährten Leistungen liegen in den ersten 36 Monaten schon jetzt rund 20% unter dem existenzsichernden Niveau des Bürgergeldes. Mit der Einführung der Bezahlkarte wird die Auszahlung von Bargeld auf 50,- pro Person im Monat begrenzt. Bei der Bargeldabhebung von der Bezahlkarte fallen dann häufig auch noch Gebühren an. Damit werden die ohnehin zu geringen Leistungen faktisch noch weiter reduziert, denn ein günstiger Einkauf auf Flohmärkten oder Kleiderbörsen ist mit der Bezahlkarte nicht möglich. Mehrbedarfe an Bargeld können in der Regel nur auf Antrag bewilligt werden.

Bereits im Juli 2012 hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das Grundgesetz auch Geflüchteten ein menschenwürdiges Existenzminimum garantiert und die Menschenwürde „migrationspolitisch nicht zu relativieren“ ist. Die Einführung der diskriminierenden Bezahlkarte führt jedoch zu einer weiteren Unterschreitung dieses verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums. Mit der diskriminierenden Bezahlkarte entfernt sich die Landesregierung noch einen Schritt mehr von der Gleichbehandlung aller Geflüchteten und schränkt ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben weiter ein.

„Die Landesregierung begründet die Einführung der diskriminierenden Bezahlkarte v.a. mit der Verringerung von Verwaltungsarbeit. Dieses Argument ist aber offenkundig nur vorgeschoben“, sagt Sigmar Walbrecht und verweist u.a. auf eine Antwort der Stadtverwaltung Braunschweig, die davon ausgeht, dass die Karte zu einem erhöhten Personalbedarf führt. „Mit der Einführung der Bezahlkarte signalisiert die Landesregierung den Betroffenen, dass sie hier nicht willkommen sind.“

Während die Landesregierungen bei den Sozialleistungen auf die zwingende Einführung einer diskriminierenden Bezahlkarte pocht, verweigert sie bis heute die verpflichtende Ausgabe einer Gesundheitskarte an alle: Wer medizinische Hilfe braucht, muss bis heute regelmäßig zunächst einen Papierkrankenschein beim Sozialamt beantragen und verliert damit viel Zeit, bevor ein Arztbesuch möglich ist; zuweilen werden Facharztbesuche auch aufwendig durch das Gesundheitsamt überprüft, bevor das Sozialamt eine Kostenzusage trifft

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert daher

1. Die Bezahlkarte darf nur diskriminierungsfrei und als freiwilliges Angebot eingeführt werden! Die Landeshauptstadt Hannover hat vorgemacht, dass dies möglich ist.

2. Wenn eine Digitalisierung von Leistungen erfolgt, bitte konsequent! Auch Geflüchtete haben einen Anspruch auf eine Gesundheitskarte!

3. Keine Kriminalisierung von Initiativen, die Geflüchteten im Rahmen von Tauschbörsen helfen, ihr Bargeldbudget zu erhöhen!

weitere Informationen finden sich auf der Aktionsseite Bezahlkarte.

Die Landesarmutskonferenz Niedersachsen hat am 13.12.2024 ebenfalls eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie diskriminierende Bezahlkarte scharf kritisiert und auf die Umtausch-Initiativen als solidarische Antwort hinweist: https://landesarmutskonferenz-niedersachsen.de/landesarmutskonferenz-kritisiert-diskriminierende-bezahlkarte-fuer-schutzsuchende/

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