Veränderte Praxis bei der Vergabe von Sonderterminen führt zu dauerhaften Familientrennungen

Seit kurzem erhalten Eltern keine vorgezogenen Sondertermine mehr, um Visa zur Familienzusammenführung in der deutschen Botschaft zu beantragen. Nach aktueller Verwaltungspraxis ist ein Elternnachzug jedoch ausgeschlossen, sobald subsidiär Schutzberechtigte volljährig sind. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert: Das Recht auf Elternnachzug darf auch bei subsidiär Schutzberechtigten nicht mit eintretender Volljährigkeit enden.

Der Fall von Amro [1] zeigt die Problematik: Seine Eltern und seine zwei kleinen Geschwister stehen bereits seit Anfang März 2024 auf der Warteliste für einen Termin bei der Deutschen Botschaft im Libanon. Aufgrund der dramatischen Sicherheitslage hat die Visastelle für syrische Staatsangehörige seit Oktober 2024 geschlossen. Deshalb hat der Vormund von Amro versucht, einen Sondertermin bei der deutschen Botschaft in Jordanien zu erhalten. Er erhielt jedoch eine Absage:

„(…) eine bald eintretende Volljährigkeit eines subsidiär schutzberechtigten Familienmitglieds in Deutschland stellt keine ausreichende Begründung für eine bevorzugte Terminvergabe dar, (…)“. (Auszug aus einer E-Mail der Deutschen Botschaft Amman vom 11.11.2024)

Da Amro in seinem Asylverfahren subsidiären Schutz erhalten hat, kann er seine Familie nicht mehr nachziehen lassen, wenn er volljährig wird – auch wenn er weder das lange Asylverfahren noch die Terminvergabe beeinflussen kann. Wenn er im Dezember 2024 volljährig wird, verliert er das Recht auf Nachzug seiner Eltern.

Hätte er im Asylverfahren eine Flüchtlingsanerkennung erhalten, wäre dies anders. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass beim Elternnachzug das Alter bei Asylantragstellung relevant ist, da die Dauer der Verfahren nicht von den Antragsteller*innen zu verschulden ist.[2] Dieses Urteil wird jedoch für unbegleitete, subsidiär Schutzberechtigte nicht angewendet.

Viele Asylverfahren von unbegleiteten Minderjährigen ziehen sich 12 bis 24 Monate hin, obwohl die Jugendlichen aufgrund des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes eigentlich ein Recht auf eine schnelle Entscheidung hätten. Auch wenn Klagen sehr gute Erfolgsaussichten haben, sind diese für unbegleitete Minderjährige häufig nicht finanzierbar.

„Derzeit treten viele Vormünder*innen oder Betreuungspersonen von unbegleiteten Minderjährigen treten an uns heran. Sie berichten, dass die Jugendlichen völlig verzweifelt sind. Monate- teilweise jahrelang hat man ihnen gesagt, dass sie warten müssen und ihre Familien einen Sondertermin erhalten werden, wenn der 18. Geburtstag bevorsteht. Nun ändert das Auswärtige Amt die Vergabepraxis ohne darüber auch nur in angemessener Weise darüber aufzuklären. Für die Jugendlichen ist dies eine Katastrophe.“ so Annika Hesselmann vom Flüchtlingsrat Niedersachsen.

Der Flüchtlingsrat fordert: Der Nachzug der Eltern muss auch bei eintretender Volljährigkeit von subsidiär Schutzberechtigten ermöglicht werden. Auch sie haben keinen Einfluss darauf, wie lange ein Asylverfahren dauert oder ob ein Sondertermin bei der Botschaft eingeräumt wird. Als Vorbild für eine kurzfristige Änderung können die Verfahrenshinweise für die Ausländerbehörden bei abgelaufenen D-Visa[3] dienen, die am 12. Juni 2020 aufgrund der Corona-Pandemie vom BMI versendet wurden. Anlass für eine Sonderregelung stellt die aktuelle Notsituation im Libanon dar.

 

Für Presse- oder Beratungsanfragen wenden Sie sich an:

Annika Hesselmann: 0 511 / 81 12 00 80 | ahe(at)nds-fluerat.org

Karim Alwasiti: 0 511 / 98 24 60 32 | ka(at)nds-fluerat.org

 

[1] Name geändert.

[2] Entscheidung in den verbundenen Rechtssachen C-273/20 und C-355/20.

[3] Aktenzeichen: M3-51000/2#5.

 

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