Shahnaz Naso: Jeden Tag frage ich mich…

Jeden Tag frage ich mich, wann und wo werde ich jemals die beiden liebsten Menschen in meinem Leben wieder sehen. Werde ich jemals wieder meinen kleine Bruder umarmen können und ihm sagen, wie sinnlos mein Leben ohne ihn ist? Meinem Vater will ich sagen, wie wichtig er mir doch ist.
Was habe ich in meinem Leben so falsch gemacht, dass man mir meinem Vater und Bruder weggenommen hat? Warum darf ich nicht wie alle andere Menschen glücklich mit meiner Familie zusammen leben? Warum muss ich jeden Tag mit der Angst zur Schule gehen, vielleicht irgendwann nach Hause zu kommen und meine Mutter ist nicht mehr da? Warum muss ich jeden Tag mit der Angst leben, irgendwann in ein Land abgeschoben zu werden, in das ich gar nicht will?
Syrien ist ein Land, an das ich nur schlechte Erinnerungen habe. Dort musste ich noch als Kind arbeiten, um nicht zu verhungern. Wir sind nach Deutschland gekommen mit der Hoffnung, einmal glücklich zu werden. Wie soll ich nur allen beweisen, dass ich hier leben will, dass ich hier hin gehöre und dass seit 10 Jahren hier mein Zuhause ist? Hier sind meine Freunde, meine Schule und mein ganzes Leben. Ich bin hier groß geworden und möchte wie alle anderen ein Recht auf Arbeit haben und das machen, was die anderen auch machen dürfen. Warum darf ich das nicht? Nur weil ich aus einem anderen Land komme?
Ich will doch nur friedlich mit meiner Familie unter einem Dach leben. Verlange ich zu viel? Hier will man nur noch einmal Papiere und Beweise haben. Doch keiner denkt an mich und meine Familie! Wir leben hier seit 10 Jahren und haben immer noch keine Rechte wie die anderen.
Hat keiner vor der Abschiebung daran gedacht, wie das für mich war, mir meine ganze Familie weg zu nehmen? Ich konnte mich nicht von ihnen verabschieden, durfte sie nicht noch einmal in den Arm nehmen. Hat sich keiner Gedanken über meinen 16-jährigen Bruder gemacht, der in ein Land abgeschoben wurde, das er gar nicht kennt? Wer hat an meinen 62-jährigen Vater gedacht, der dort mit meinem Bruder auch im Gefängnis sitzen musste? Oder an meine Mutter, der ihr jüngster Sohn aus der Hand gerissen wurde? Und ihren Ehemann, mit der sie über 40 Jahre zusammen lebte? Habt ihr euch keine Gedanken gemacht, dass ihr durch eure Entscheidung meine ganze Familie zerstört habt, und dass wir deswegen nie wieder glücklich werden können? Stellt ihr euch eine Minute vor, wie das ist, wenn das mit eurer Familie passieren würde! Bitte, wenn ihr eine Familie auseinander reißen wollt, dann macht euch auch Gedanken, wie diejenigen sich auch fühlen und welche Folgen solche Abschiebung hat. Wo bleiben da nur die Menschenrechte?

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