Gedenktag für die Opfer von Abschiebungen und Abschiebehaft am 30. August: Flüchtlingsrat Niedersachsen und weitere Bündnispartner fordern Solidarität mit Schutz suchenden Menschen statt Abschiebungen um jeden Preis
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen ruft zusammen mit dem Netzwerk gegen Abschiebung Hannover und weiteren Organisationen aus Niedersachsen anlässlich des bundesweiten Gedenk- und Aktionstages für die Opfer von Abschiebungen und Abschiebehaft am 30. August zu einer Demonstration am Flughafen Hannover-Langenhagen und am nahegelegenen Abschiebungsgefängnis auf.
„Abschiebungen sind Zwangsmaßnahmen, mit denen Menschen gegen ihren Willen zum Verlassen des Landes gezwungen werden, und daher immer gewalttätig. Wenn zusätzlich Abschiebungshaft verhängt wird, geht die Gewalt und Entrechtung von Geflüchteten besonders weit. Ohne eine Straftat begangen zu haben, können Menschen bis zu 18 Monate inhaftiert werden. Wir halten Abschiebungshaft für einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Leben von Menschen, denen i.d.R. nichts weiter vorgeworfen wird, als dass sie nicht freiwillig das Land verlassen haben“, stellt Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat Niedersachsen klar.
„Der schreckliche islamistische Anschlag von Solingen ist selbstverständlich in keiner Weise zu relativieren, aber wir halten es für absolut fahrlässig, und es trägt lediglich zur Spaltung der Gesellschaft bei, wenn nun mit z.T. grotesk populistischen Forderungen wie z.B. nach einem kompletten Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan oder Abschiebehaft für alle ausreisepflichtigen Menschen, die faktische Abschaffung des Flüchtlingsschutzes gefordert wird. Diese Forderungen ignorieren Grundgesetz und Völkerrecht und stehen vollkommen außerhalb der Rechtsstaatlichkeit“, mahnt Sigmar Walbrecht.
Das Bündnis weist darauf hin, dass viele Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen, selber Opfer des islamistischen Terrors geworden sind und vor ihm fliehen mussten. Das Bündnis hält es für unerträglich, wenn diese Menschen nun in einen Topf mit islamistischen Attentätern geworfen werden.
Der Wille der Behörden, Abschiebungen rigoros durchzusetzen, hat in der Vergangenheit immer wieder Opfer gefordert. Der 30. August ist ein besonders tragischer Tag, an dem viele Menschen im Zusammenhang einer Abschiebung starben:
- 30. August 1983: Kemal Altun springt aus dem Fenster des Westberliner Verwaltungsgerichtes und erliegt seinen Verletzungen. Zu diesem Zeitpunkt ist er 23 Jahre alt und verbringt während eines Auslieferungsverfahrens in die Türkei 13 Monate in Auslieferungshaft.
- 30. August 1994: Kola Bankole erstickt in einer Lufthansamaschine auf dem Weg nach Nigeria. Er wurde während der Abschiebung geknebelt, gefesselt und mit Psychopharmaka „ruhig gespritzt“.
- 30. August 1999: Rachid Sbaai stirbt in einer Arrestzelle der JVA Büren, da die Matratze der Einzelhaftzelle in Brand geriet.
- 30. August 2000: Antankou Dagwasoundel stürzt bei dem Versuch, sich aus dem Fenster seines überwachten Krankenhauszimmers abzuseilen und sich so der bevorstehenden Abschiebungshaft in Berlin-Köpenick zu entziehen, in den Tod.
„Das Bündnis hat bewusst den Flughafen Hannover-Langenhagen und die anliegende Abschiebungshaftanstalt als Ort des Gedenken ausgewählt“, erklärt Hilke Brandy, Sprecherin des Netzwerkes gegen Abschiebung Hannover. „Einerseits weil wir leider feststellen müssen, dass sich der Flughafen Hannover immer mehr zum Drehkreuz für Sammelabschiebungen aus ganz Deutschland entwickelt, andererseits nicht zuletzt auch deshalb, weil die gnadenlose Abschiebemaschinerie auch in Niedersachsens zentralem Abschiebungsgefängnis ein Opfer forderte, an das erinnert werden soll“.
Am 8. Dezember 2000 erhängte sich der damals 17-jährige Arumugasamy Subramaniam in seiner Gefängniszelle aus Angst vor der bevorstehenden Abschiebung in das damals im Bürgerkrieg befindliche Sri Lanka.
Statt mit einer sog. Rückführungsoffensive sowie zunehmender Aufrüstung und Brutalisierung an den europäischen Grenzen dem Rechtsruck zu huldigen, fordert das Bündnis bedingungslose Solidarität mit Schutz suchenden Menschen. Die Abschiebungspolitik weiter zu verschärfen, wird die Gefahr islamistischer Anschläge nicht verringern, stattdessen zu einer weiteren gesellschaftlichen Verrohung beitragen, sind die Organisator*innen der Demonstration überzeugt.
„Die Rechte Schutz suchender Menschen zu verteidigen ist nun wichtiger denn je“, betont Hilke Brandy.
Die Demonstration beginnt am Freitag, 30.08.2024, um 16.30 Uhr an der S-Bahnhaltestelle Hannover Flughafen
Der Aufruf ist u.a. hier abzurufen
Kontakt:
Sigmar Walbrecht, Flüchtlingsrat Niedersachsen: sw@nds-fluerat.org, Tel 0511 / 84 87 99 73
am 30.08.24 vor Ort: Hilke Brandy, mobil: 0163 67 84 170
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