Presseerklärung des Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. vom 07. April 2011
Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert Lockerung der Residenzpflicht für AsylbewerberInnen nach dem Vorbild von Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein hat AsylbewerberInnen eine regionale Reisefreiheit gewährt. Das Kieler Kabinett hob vorgestern die umstrittene Beschränkung des Aufenthalts für Asylsuchende auf den Bezirk der örtlichen Ausländerbehörde auf. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen begrüßt diese pragmatische Entscheidung. Sie bedeutet eine Erleichterung für die Betroffenen, aber auch eine Verwaltungsvereinfachung und Entlastung für viele Behörden und die Polizei. Der Flüchtlingsrat fordert erneut, die Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden auch in Niedersachsen auf das gesamte Bundesland auszudehnen.
Nach § 56 des Asylverfahrensgesetzes werden AsylbewerberInnen verpflichtet, sich nur im Bereich der für sie zuständigen Ausländerbehörde aufzuhalten. Der wiederholte Verstoß gegen diese Pflicht wird mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Wer einen Facharzt oder Therapeuten zur Traumabehandlung aufsuchen will, wer seinem Grundrecht auf Religionsfreiheit nachkommen oder zu einer politischen Veranstaltung reisen will, wer nahe Verwandte besuchen oder einfach nur zum Arbeitsplatz reisen will, muss für jeden einzelnen Fall eine Erlaubnis beantragen. Der Verwaltungsaufwand ist nicht zu rechtfertigen, da Grundrechte oder gesetzlich formulierte Rechte ohnehin nicht verwehrt werden dürfen. Immer wieder kommt es jedoch auch in Niedersachsen zu willkürlichen Verweigerungen der Reiseerlaubnis (siehe hier und hier). Die Residenzpflicht wirkt als eine Art „Kriminalisierungsprogramm für Flüchtlinge“: Mehrere Hundert Asylsuchende werden bundesweit jedes Jahr wegen Verstößen gegen die Residenzpflicht verurteilt (siehe hier).
Eine generelle Abschaffung der anachronistischen Aufenthaltsbeschränkungen wäre notwendig. Da die Residenzpflicht für Asylsuchende im Asylverfahrensgesetz verankert ist, es sich also um Bundesrecht handelt, kann die Landesregierung diese Regelung allerdings nicht einfach streichen. Niedersachsen hat als Bundesland jedoch die Möglichkeit, diese so zu modifizieren, dass Freizügigkeit für Flüchtlinge wenigstens niedersachsenweit hergestellt wird und deutlich weniger Arbeit und Kosten in die Verwaltung dieser Vorschrift investiert werden muss. Dazu wäre eine einfache Verordnung gemäß § 58 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes notwendig, die die Residenzpflicht für Asylsuchende auf die Landesgrenzen beschränkt. Wir fordern, dass Niedersachsen analog zu Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Brandenburg den AsylbewerberInnen auf diese Weise mehr Bewegungsfreiheit und den Behörden Entlastung verschafft. Entsprechende Forderungen wurden auch schon aus der FDP laut (siehe hier).
Der Flüchtlingsrat setzt sich weiterhin für eine generelle Abschaffung der Residenzpflicht ein, die Flüchtlinge in ihrem grundlegenden Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit einschränkt. Diese Forderung bleibt weiterhin aktuell.
Hintergrundinformation:
Residenzpflicht – Ein abstoßendes Symbol der Unmenschlichkeit
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