Zwischenbilanz Abschiebungshaft

Seit 3 ½ Monaten gibt es mit § 62d AufenthG eine Rechtsgrundlage für die Beratung in Abschiebungshaft: Betroffene haben Anspruch auf die Beratung durch eine:n Anwält:in, sofern sie anwaltlich noch nicht vertreten werden. Das Gesetz ist gut gedacht, nicht ganz so gut gemacht: Es leidet unter verschiedenen „Geburtsfehlern“, worauf die Rechtsanwälte Rolf Stahmann und Peter Fahlbusch auf ihrer bundesweiten Fortbildungstour immer wieder hingewiesen haben. Der gravierendste Fehler ist sicherlich, dass Zurückweisungshaftfälle vom Wortlaut des Gesetzes nicht erfasst werden, obschon diese Haftanordnungen wohl das Schwierigste sind, was es haftrechtlich so gibt und die (noch nicht mal eingereisten) Betroffenen überhaupt nicht in der Lage sind, sich hier „verteidigen“ zu können. Insbesondere für Bayern und Sachsen hat dieses gesetzgeberische Versäumnis zur Folge, dass ein Großteil der Gefangenen weiterhin anwaltlich nicht vertreten wird. Sofern nicht der BGH hier im Wege der Auslegung des § 62d AufenthG Abhilfe schafft, ist der Gesetzgeber aufgerufen, einzugreifen und § 62d AufenthG dahingehend zu ändern, dass er auch auf Zurückweisungshaft Anwendung findet.

Ob die Bestellung von Pflichtanwält:innen ansonsten dafür sorgen wird, dass weniger oft und weniger lang Betroffene rechtswidrig eingesperrt werden, wird sich weisen. Nachstehend dokumentieren wir die neuesten Zahlen zur rechtsstaatswidrigen Anordnungspraxis von Abschiebungshaft in Deutschland von RA Peter Fahlbusch (Stand 12.6.2024):

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RA Peter Fahlbusch am 12.06.2024:

  • Seit 2001 habe ich bundesweit 2.548 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten (in rund 23 Jahren etwa alle 3 – 4 Tage ein neues Mandat).
  • 1.313 dieser Menschen (dh 51,5 %) wurden nach den hier vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert (manche „nur“ einen Tag, andere monatelang).
  • Zusammengezählt kommen auf die 1.313 Gefangenen 33.784 rechtswidrige Hafttage (was 92 Jahre rechtswidrige Haft bedeutet, wir nähern uns Schritt für Schritt der 100jahrmarke…!).
  • Im Durchschnitt befand sich jede/r Mandant/in genau 25,7 Tage zu Unrecht in Haft.
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