Kundgebungen und Protestcamp gegen Abschiebungen von Êzîd:innen in den Irak vor dem Abschiebegefängnis Langenhagen

Seit vergangenem Sonntag, den 26. Mai 2024, finden vor dem Abschiebegefängnis Langenhagen am Flughafen Hannover ein Protestcamp sowie täglich Kundgebungen statt. Demonstriert wird gegen drohende Abschiebungen von Êzîd:innen in den Irak. Nachdem am Sonntag bereits mindestens 150 Menschen vor Ort waren, kamen im Laufe des Montags und Dienstags etliche weitere Menschen. Anlass ist die drohende Abschiebung eines jungen Mannes in den Irak. Zahlreiche Freund:innen, Verwandte und Angehörige êzîdischer Communities kommen seit seiner Inhaftierung in Solidarität mit ihm vor das Gefängnis. Auch Menschen vom Netzwerk gegen Abschiebungen Hannover und Hannover Solidarisch waren am Montag bei der Kundgebung dabei.

Zunächst war am Montag die Rede von mehreren êzîdischen Inhaftierten im Abschiebegefängnis Langenhagen. Diese Information konnten wir bisher nicht bestätigen. In unser Abschiebungshaftberatung wissen wir bisher nur von einem irakischen Staatsangehörigen und sind mit diesem sowie Unterstützer:innen und seiner Anwältin im Kontakt.

Foto: Netzwerk gegen Abschiebungen Hannover

Abschiebungen êzîdischer Geflüchteter sollen unserem Kenntnisstand nach in Niedersachsen nur mit Zustimmung des Innenministeriums zulässig sein. In der vergangenen Woche konnte jedoch die Abschiebung einer êzîdischen Familie aus dem Landkreis Wesermarsch nur im letzten Moment gestoppt werden. Im vorliegenden Fall verweisen die Behörden auf die verhängte Jugendstrafe gegen den inhaftierten Êzîden und halten an der Abschiebung fest.

Wir betonen: Die Wiederaufnahme von Abschiebungen in den Irak aus Niedersachsen ist eine fatale Fehlentscheidung. Die Lage im Irak ist für zurückkehrende Geflüchtete weiterhin gefährlich. Insbesondere für Êzîd:innen ist eine Rückkehr in den Irak unzumutbar! Das gilt unserer Auffassung nach auch für êzîdische Genozid-Überlebende, die in Deutschland Haftstrafen verbüßt haben oder gegen die strafrechtliche Ermittlungsverfahren laufen. In einem erst kürzlich von Wadi e. V. und PRO ASYL veröffentlichten Gutachten zur Lage der Êzîd:innen im Irak wurde deutlich herausgearbeitet, dass das Sinjar-Gebiet im Nordirak, in dem die Êzîd:innen seit Jahrhunderten leben, spätestens seit dem Völkermord durch die Terrororganisation Islamischer Staat im Jahr 2014 zu einem lebensgefährlichen Brennpunkt geworden ist. In dem strategisch wichtigen Grenzgebiet zwischen Irak, Syrien, Türkei und Iran prallen die Interessen staatlicher und nicht-staatlicher Akteure, die rücksichtslos um Macht und Einfluss kämpfen, aufeinander – und die Êzîd:innen stehen mittendrin und zwischen allen Fronten.

Wir unterstützen deshalb den Protest gegen Abschiebungen, insbesondere von Êzîd:innen, in den Irak. Im Fall des derzeit inhaftierten und abschiebebedrohten irakischen Staatsangehörigen läuft ein Beschwerdeverfahren gegen die Anordnung der Abschiebungshaft, parallel dazu bemüht sich die Anwältin um Schutz im Asylfolgeverfahren. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert einen bundesweiten oder mindestens landesweiten Abschiebestopp von Êzîd:innen und grundsätzlich ein Ende der Abschiebungen in den Irak.

Zum Hintergrund:

Mit Erlass vom 10.04.2024 hat das niedersächsische Innenministerium entschieden, Abschiebungen in den Irak ab sofort und ohne Einschränkungen wieder aufzunehmen. Nach Ansicht des Flüchtlingsrats ist im Irak – im Hinblick auf die Menschenrechte, die Wirtschaft und andere Gesellschaftsbereiche – keine Entwicklung erkennbar, die Abschiebungen in den Irak rechtfertigen würde. Seither herrscht unter Menschen irakischer Staatsangehörigkeit in Niedersachsen massive Verunsicherung vor. Nach heftigen Protesten hat sich die Landesregierung bereit erklärt, bei Êzîd:innen eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, die aber nicht überall für den nötigen Schutz der Betroffenen führte, da die ethnisch-religiöse Zugehörigkeit nicht immer aktenkundig ist. Auf unserem Merkblatt zum Thema können Menschen nachlesen, ob sie möglicherweise von einer Abschiebung betroffen sind. Im Zweifel raten wir dringend zum Aufsuchen einer lokalen Beratungsstelle und stehen auch selbst während unserer Telefonzeiten für Fragen zur Verfügung.

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