Die CDU und das Asylrecht

Die CDU hat am 07. Mai 2024 ein neues Grundsatzprogramm beschlossen, das vorsieht, dass schutzsuchende Menschen in Europa nicht länger Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention und dem europäischen Recht bekommen sollen. Stattdessen soll „jeder, der in Europa Asyl beantragt, […] in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren“ (Wortlaut im neuen Programm,. S. 23). Hier eine News dazu von PRO ASYL:

Warum das neue CDU-Grundsatzprogramm so gefährlich ist

Unsere Versuche, über Anschreiben an niedersächsische Bundestags- und Landtagsabgeordnete eine Problematisierung und parteiinterne Debatte zu diesem Vorhaben zu initiieren, sind leider gescheitert: Wir erhielten zwar einige ermutigende Antworten von Abgeordneten, die sich für eine Verteidigung des Asylrechts und den Schutz von Verfolgten auch in Europa aussprachen, auf die innerparteiliche Debatte um das Grundsatzprogramm hatte dies jedoch kaum Einfluss: Anträge auf eine Änderung der Passage wurden abgelehnt.

Kein Zweifel: Die CDU trägt große Verantwortung für den Abbau der Rechte Schutz suchender Menschen. Dass die CDU 75 Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, 72 Jahre nach Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention die Prüfung von Schutzgesuchen und die Schutzgewährung selbst in ein außereuropäisches Drittland abschieben will, stellt einen offenkundigen Tabu- und Diskursbruch dar, der alle treuherzigen Bekenntnisse der Partei zu Menschenrechten und zur Aufrechterhaltung des grundgesetzlich geschützten Asylrechts hohl und unglaubwürdig erscheinen lässt. Nachfolgend exemplarisch das Anwortschreiben des Landesvorsitzenden der CDU, Sebastian Lechner:

„Sehr geehrter Herr Weber,

es ist keinesfalls die Absicht der CDU das Grundrecht auf Asyl in Frage zu stellen. Ganz im Gegenteil: Wir wollen, dass das Asylrecht in der bestehenden Form erhalten bleibt und fechten dies auch nicht mit unserem Grundsatzprogramm an. Unsere Ausführungen im Grundsatzprogramm entsprechen Artikel 16a im Grundgesetz.

Wir als CDU setzen uns dafür ein, dass Menschen, die berechtigt Zuflucht suchen, auch Schutz geboten werden muss. Das sagt uns auch das christliche Menschenbild vor: Menschen in Not muss geholfen werden. Gleichzeitig ist es elementar, dass Migration mit Ordnung und Steuerung erfolgt. Unsere Vorschläge dazu können Sie unserem Grundsatzprogramm entnehmen. 

Wir müssen Lösungen für die offensichtlichen Probleme der illegalen Migration, des Sozialstaats, des Gesundheitssystem oder des Klimawandels finden. Dabei suchen wir keine Inspiration bei anderen Parteien. Als Volkspartei können wir aus den eigenen Reihen schöpfen.

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Lechner MdL
Landesvorsitzender der CDU in Niedersachsen“

Als handlungsleitend benennt Lechner hier u.a. „die offensichtlichen Probleme der illegalen Migration“. Die CDU nimmt mit ihrem Bekenntnis für einen „Stopp der unkontrollierten Migration“ (Grundsatzprogramm, S. 23) und mit ihrer Forderung nach einer Externalisierung von Asylverfahren offenkundig Anleihen bei den Rechtsextremen – und sorgt so dafür, dass die innenpolitische Debatte weiter nach rechts gerückt wird. In einer Welt der verschlossenen Grenzen ist der unautorisierte Grenzübertritt für Schutzsuchende die einzige und im Übrigen vom Völkerrecht gedeckte Form, um das Asylrecht überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Schutzsuchende überqueren Grenzen eben nicht „illegal“, sie nehmen ein Grundrecht in Anspruch.

Zu diesem Grundrecht auf Asyl bekennt sich auch der niedersächsische CDU-Vorsitzende Lechner ausdrücklich „in der bestehenden Form“.  Vor dem Hintergrund des dramatischen Diskussionsverlaufs um das Asylrecht ist dies vielleicht noch einmal wichtig. Es gibt längst Stimmen in der CDU, die auch das Asylgrundrecht in Gänze schleifen wollen (siehe N-TV-Bericht). Zwar profitieren wegen der Drittstaatsregelung nur rund 0,5% aller Schutzsuchenden von diesem Grundrecht. In Artikel 16a, Absatz 2 findet sich jedoch eine Definition von „sicheren Drittstaaten“, die für die zukünftige Asylpraxis noch von Bedeutung sein kann:

„(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.“

Wer aus einem Drittstaat einreist, in dem die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht „sichergestellt ist“, kann sich dieser Formulierung zufolge auf das Asylgrundrecht auch weiterhin berufen. Die hier vorgenommene Definition eines Standards, den ein „sicherer Drittstaat“ erfüllen muss, geht offensichtlich über den Standard von GEAS hinaus: Danach ist es möglich, Länder zu „sicheren Drittstaaten“ zu erklären, auch wenn sie ihre eigenen Staatsangehörigen verfolgen und Flüchtlingen keinerlei rechtlichen Status erteilen. Die Praxis von Griechenland, die Türkei zum „sicheren Drittland“ für Schutzsuchende aus Syrien oder Afghanistan zu erklären, wäre nach deutscher Rechtslage verfassungswidrig, weil die Türkei offenkundig gegen diese völkerrechtlichen Verträge verstößt.

Nach dem fatalen GEAS-Beschluss werden wir für die Einhaltung der durch das Grundgesetz definierten Standards für die Festlegung „sicherer Drittländer“ um so mehr kämpfen müssen.

Nachtrag:

Nur 38% der CDU-Anhänger:innen lehnen laut Statista die Aussage ab, die EU solle das individuelle Asylrecht abschaffen. Damit liegen sie noch hinter der AfD (56% Ablehnung der Aussage). Die Erhebung war im Juli 2023. Die Kampagne der CDU-Parteiführung wirkt offenbar.

 

 

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2 Gedanken zu „Die CDU und das Asylrecht“

  1. Ich schlage der CDU vor, erstmal die Fluchtursachen zu beseitigen,(anfangs reichen sogar, die die von Großkonzernen mit ihrer menschenverachtenden und Exististenzzerstörenden Wirtschaftspolitik selbst zu verantworten haben) Als 2. sollte sich die CDU erst mal ehrlich machen Stichpunkt Spendengelder für die CDU von Schleuserbossen). Dann würden sich die „Flüchtlingsströme“ schon mal erheblich verkleinern. Und 3. Wer Staaten, die nachweislich nicht sicher für Menschen sind zu sicheren Staaten erklärt, sollte für sich lieber nicht in Anspruch nehmen ein humanes Menschenbild zu verteidigen!

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