Alltäglicher Wahnsinn: Selbsthilfe bei Geflüchteten unerwünscht

Für die schleppende Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten ist vor allen das deutsche Aufnahme- und Genehmigungsverfahren verantwortlich. Es braucht durchschnittlich zwei Jahre, bis Asylsuchende überhaupt den Weg zu den Arbeitsagenturen gefunden haben. Behördliche Auflagen und Beschränkungen behindern oder verhindern in vielen Fällen eine Arbeitsaufnahme. Am Beispiel der syrischen Flüchtlingsfamilie E. lässt sich exemplarisch belegen, wie schlecht die Bundesrepublik Deutschland bis heute darauf vorbereitet ist, Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren:

Die syrische Familie E. reist am 26.04.22 mit Aufnahmebescheid auf Grundlage von §23,2 AufenthG legal nach Deutschland ein. Sie wird im Bodenseekreis untergebracht und erhält eine Fiktionsbescheinigung. Da die Familie im Bodenseekreis keine Wohnung für sich allein und keine Arbeit findet, sucht sie im ganzen Bundesgebiet und findet Hilfe bei Bekannten im Landkreis Wesermarsch in Niedersachsen. Nach Aussagen der Familie fragt sie vor ihrem Umzug noch den Integrationsdienst im Bodenseekreis und erhält zur Antwort, dass sie umziehen könne und dürfe.

Im Landkreis Wesermarsch findet die Familie eine Wohnung und meldet sich auch ohne Probleme beim Jobcenter und bei den Schulen der Kinder an. Der Familienvater nimmt ab 24.08.23 auch eine Vollzeitbeschäftigung als IT-Fachmann auf.

Die Ausländerbehörde stellt jedoch fest, dass der Aufenthalt im Bodenseekreis mit einer Wohnsitzauflage verbunden war – oder doch zumindest hätte sein müssen (Eine schriftliche Bestätigung der Ausstellung einer Wohnsitzauflage liegt uns nicht vor). Die Ausländerbehörde Wesermarsch in Brake verweigert die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis und verweist auf die Zuständigkeit des Bodenseekreises, bei dem angeblich zunächst eine Umverteilung zu beantragen sei.

Der Bodenseekreis hält sich jedoch mittlerweile für unzuständig und verweigert aus fadenscheinigen Gründen – angeblich sei die Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag nicht lesbar – einen Bescheid über den gestellten Antrag.

Mittlerweile ist die Fiktionsbescheinigung abgelaufen. Keine Ausländerbehörde fühlt sich zuständig, eine Aufenthaltserlaubnis wird nicht ausgestellt mit der Folge, dass kein Lohn überwiesen werden kann, da ein Konto ohne das Papier nicht ausgestellt wird. Gleichzeitig fordert das Jobcenter wegen „Überzahlung“ Leistungen zurück. Auch ein Kindergeldantrag, ein Wohngeldantrag, ein Antrag auf Bildung & Teilhabe kann nicht bearbeitet werden. Die Mutter erhält keinen Integrationskurs.

Die Familie ist ratlos: Sie will nicht wieder zurück in den Bodenseekreis, in die Arbeitslosigkeit, in eine Gemeinschaftsunterkunft, wieder abhängig von Leistungen sein.

Mit der Vollzeitbeschäftigung des Familienvaters wäre eine Grundlage für die Genehmigung des Umzugs gegeben. Die Ausländerbehörde in Brake will aber „aus Prinzip“ keine Aufenthaltserlaubnis erteilen, denn es könne nicht sein, dass „unkontrolliert“ umgezogen werde. Das Refugium Wesermarsch schreibt: „Im Dezember, nach einem weiteren Appell an Augenmaß/ Ermessen/ Menschlichkeit blieb es bei einem Telefonat mit dem Chef der Ausländerbehörde bei diesem absoluten NEIN und einem fast herausgebrüllten „dann verklagen Sie mich doch“.“

Nach den vorliegenden Unterlagen ist völlig unverständlich, warum der Bodenseekreis und der Landkreis Wesermarsch nicht schnell und unbürokratisch die veränderte Zuständigkeit regeln. Wenn keine Wohnsitzauflage verhängt wurde, hat die Familie E. auch nicht rechtswidrig gehandelt. Dann sollte eine Aufenthaltserlaubnis vom Landkreis Wesermarsch erteilt werden können. Wenn eine Wohnsitzauflage verhängt wurde, sollte nach Lage der Dinge eine Bearbeitung des Antrags auf Streichung der Wohnsitzauflage schnell bearbeitet werden können. Es liegt nicht im Interesse des deutschen Steuerzahlers, eine gut integrierte, auf eigenen finanziellen beinen stehende Familie wieder zurück in die Gemeinschaftsunterkunft und in die Arbeitslosigkeit zu zwingen.

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