Internationaler Frauenkampftag 2024

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert das BAMF auf, geschlechtsspezifische Fluchtgründe im Asylverfahren angemessen zu berücksichtigen. Von der Landesregierung fordert der Flüchtlingsrat die Umsetzung von verbindlichen Gewaltsschutzkonzepten bei der Unterbringung von Frauen und queeren Personen auch in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften.

Weltweit müssen Frauen und Mädchen aus brutalen und menschenverachtenden Situationen fliehen. Einige erreichen Deutschland und beantragen Asyl in der Hoffnung, hier in Würde und Freiheit leben zu können. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erkennt in vielen Fällen verfolgte Frauen nicht als Flüchtlinge an, obwohl eine Anerkennung von geschlechtsspezifischer Verfolgung seit 2005 nach deutschem Recht vorgesehen ist..

Nun hat der Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Januar 2024 ein Urteil gesprochen, welches die Rechte von Frauen weiter stärkt: Das Gericht stellte klar, dass Frauen eines Herkunftslandes als eine „bestimmte sozialen Gruppe“ im Sinne der EU-Anerkennungsrichtlinie zu verstehen sind, die bei Vorliegen von (auch häuslicher) physischer und psychischer Gewalt Schutz für sich beanspruchen kann. Bisher wurde Frauen bei Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, häuslicher und sexualisierter Gewalt und allen weiteren Gewaltformen aufgrund ihres Geschlechts dieser Schutz oftmals nicht zugebilligt, weil Frauen nicht als sog. „soziale Gruppe“ galten. Mit seinem Urteil hat der EuGH nunmehr klargestellt, dass diese Frage im Lichte der Istanbul-Konvention auszulegen ist. Die Istanbul-Konvention, ein „Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“, ist seit 2018 geltendes Recht.

„Wir haben noch viel zu tun – Das muss die Botschaft sein, die wir am Weltfrauentag in aller Deutlichkeit aussprechen möchten. Die Tatsache, dass sechs Jahre nach Inkrafttreten der Istanbul-Konvention der EuGH klarstellen muss, dass Frauen als „bestimmte soziale Gruppe“ verfolgt werden können, spricht für sich. Wir erwarten nun die Umsetzung des EuGH-Urteils: Gerichte und staatliche Institutionen müssen geschlechtsspezifische Gewalt endlich umfassend als Fluchtgrund anerkennen und den Flüchtlingsstatus gewähren.“, so Anna-Maria Muhi vom Flüchtlingsrat Niedersachsen.

Die Istanbul Konvention verpflichtet die Staaten auch zu einer Gewährleistung von Schutz vor Gewalt im Aufnahmeverfahren. Es ist erschreckend, dass für die kommunale Unterbringung von asylsuchenden Frauen in Niedersachsen bis heute keinerlei Standards gelten: Verbindliche Gewaltschutzkonzepte für Frauen, die im Rahmen des Asylverfahrens in kommunale Unterkünfte zugewiesen werden, fehlen vollständig.

Seit Jahren fordert der Flüchtlingsrat Niedersachsen eindringlich Land und Kommunen dazu auf, verbindliche Mindeststandards zum Schutz geflüchteter Frauen und queerer Personen einzuführen. Statt Transparenz und Rechtssicherheit zu schaffen, weisen sämtliche Akteure jede Verantwortung von sich und ignorieren damit auch die von Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), UNICEF u.a. erarbeiteten Leitlinien. In der Konsequenz kommt es zu teilweise unhaltbaren Zuständen: Frauen werden mit ihnen unbekannten Männern in einem Zimmer untergebracht, Zimmerschlüssel werden verweigert, Sanitätsräume sind nicht abschließbar, es fehlt in vielen Gemeinschaftsunterkünften jeder Hinweis auf Notrufnummern und Beschwerdemöglichkeiten.

Wir fordern das Land Niedersachsen auf, eine verbindliche Umsetzung der vom BMFSFJ benannten Mindeststandards auch für kommunale Unterkünfte anzuordnen und damit für alle geflüchteten Frauen und auch queere Personen einen grundlegenden Schutz vor Gewalt zu gewährleisten. Fiskalische Erwägungen dürfen nicht als Rechtfertigung herangezogen werden, um die legitimen Schutzinteressen von Frauen zu missachten.

Anna Maria Muhi:

„Immer wieder erleben wir Fälle, die wir in Niedersachsen nicht für möglich halten sollten. Es gibt eben keine verbindlichen und damit überprüfbaren Standards, so dass die Realität ein zähes Entlanghangeln von Einzelfall zu Einzelfall ist. Das öffnet eine weite Tür für Willkür und Ungleichbehandlung. Wir begrüßen die Forderung des Gleichstellungsministers Dr. Andreas Philippi, der zum Weltfrauentag 2024 mehr Anstrengung in Politik und Gesellschaft für eine konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention fordert, und ergänzen konkret, dass auch der Schutz von Frauen in kommunalen Unterkünften endlich mitbedacht werden muss.“

Die verpflichtende Einführung kommunaler Gewaltschutzkonzepte muss zur Selbstverständlichkeit werden, ansonsten verkommen gut klingende Statements zur Farce.

„Wir wünschen allen Frauen viel Kraft, um sich gegen die weltweit tief verankerten patriarchalen Strukturen zur Wehr zu setzen. Wie wir sehen, wird diesem Kampf von höherrangigen Gerichten – wie dem EuGH – endlich auch Recht zugesprochen. Das sollte die einen ermahnen und den anderen Mut machen. Wir geben nicht auf und stehen solidarisch mit allen feministischen Bewegungen weltweit“, so Anna-Maria Muhi vom Flüchtlingsrat Niedersachsen.

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