Erlass des MI Nds. vom 22.01.2024 (die Erlasse vom 04.05.2023 und 10.08.2023 werden aufgehoben)
Thema: Hinweise zum Umgang mit Wohnsitzauflagen (nach § 60 Absatz 1 Asylgesetz (AsylG))
Der Erlass betrifft die Situation von Menschen, die sich im laufenden Asylverfahren befinden, also eine Aufenthaltsgestattung besitzen, aber nicht mehr in der Erstaufnahmeeinrichtung leben (müssen). Wer aus der Erstaufnahmeeinrichtung auszieht, wird einer bestimmten Kommune zugewiesen (sog. Zuweisungsentscheidung). Mit dieser Zuweisungsentscheidung ist die Verpflichtung verbunden, an dem zugewiesenen Ort zu wohnen (sog. Wohnsitzauflage).
Es ist also zu unterscheiden zwischen Zuweisungsentscheidung und Wohnsitzauflage.
Asylsuchende dürfen allerdings nur dann verpflichtet werden, an einem bestimmten Ort zu wohnen, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst sichern können und deshalb auf Sozialleistungen angewiesen sind. Asylsuchende, die ihren Lebensunterhalt vollständig selbst sichern, dürfen ihren Wohnort in ganz Niedersachsen wählen. Eine bestehende Wohnsitzauflage muss dann auf Antrag der Asylsuchenden gestrichen werden.
Der Erlass sieht vor, dass Asylsuchende, die in ein anderes Bundesland umziehen wollen, grundsätzlich immer einen sog. Umverteilungsantrag stellen müssen – und zwar auch dann, wenn sie ihren Lebensunterhalt vollständig selbst sichern und keine Sozialleistungen beziehen.
Nach Auffassung des Flüchtlingsrat Niedersachsen verstößt dies gegen die Rechtslage. Danach dürfen Asylsuchende, die ihren Lebensunterhalt vollständig selbst sichern, überall in Deutschland wohnen. Eine Einschränkung dieses Rechts auf ein bestimmtes Bundesland, lässt sich dem AsylG nicht entnehmen.
Zum vorgeschriebenen Verfahren im Einzelnen:
I. Umgang mit Wohnsitzauflagen bei eigenständiger Sicherung des Lebensunterhaltes
a. Umzug innerhalb Niedersachsen
1. Asylsuchende die ihren Lebensunterhalt sichern, dürfen keine Wohnsitzauflage bekommen. Sie müssen also nicht am zugewiesenen Ort wohnen. Die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen muss die Wohnsitzauflage in diesen Fällen (auf Antrag der Betroffenen) streichen.
2. Wenn keine Wohnsitzauflage besteht, ist die Ausländerbehörde an dem Ort (z.B. für die Verlängerung der Aufenthaltsgestattung oder die Erteilung von Beschäftigungserlaubnissen) zuständig, wo die Person wohnt.
3. Wenn Asylsuchende ihren Lebensunterhalt nicht mehr vollständig selbst sichern, müssen sie grundsätzlich wieder an den ursprünglich zugewiesenen Ort ziehen und dort Asylbewerberleistungen beantragen.
4.Sofern Asylsuchende ihren Lebensunterhalt nicht mehr vollständig selbst sichern, informiert die Ausländerbehörde die Landesaufnahmebehörde hierüber und ersucht sie, die Wohnsitzauflage für den ursprünglich zugewiesenen Wohnort (erneut) zu erlassen. Das Ersuchen der Ausländerbehörde wird von der Landesaufnahmebehörde zugleich als Antrag der Asylsuchenden auf Umverteilung (nach § 50 Abs. 4 AsylG) an den selbst gewählten und aktuellen Wohnort gewertet, sofern die Asylsuchenden der Landesaufnahmebehörde auf Nachfrage bestätigen, dass ein solcher Umverteilungsantrag ihrem Willen entspricht.
Dementsprechend kann ein Umzug an den ursprünglich zugewiesenen Wohnort vermieden werden, sofern die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht dies erfordern.
5. Die Ausländerbehörde trägt die von der Landesaufnahmebehörde verfügte Wohnsitzauflage in die Aufenthaltsgestattung ein.
b. Umzug aus Niedersachsen in ein anderes Bundesland
6. Asylsuchende, die in ein anderes Bundesland umziehen wollen, müssen grundsätzlich immer einen sog. Umverteilungsantrag (nach § 51 AsylG) bei der zuständigen Landesbehörde des Bundeslandes, in das der Umzug erfolgen soll, stellen – und zwar selbst dann, wenn sie ihren Lebensunterhalt vollständig selbst sichern und keine Sozialleistungen beziehen.
Daher müssen neben der Lebensunterhaltssicherung zusätzlich die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht für einen Umzug in ein anderes Bundesland sprechen, damit ein entsprechender Antrag bewilligt wird.
c. Umzug aus einem anderen Bundesland nach Niedersachsen
7. Asylsuchende, die aus einem anderen Bundesland nach Niedersachsen ziehen wollen, müssen sich unter konkreter Angabe des gewünschten Wohnorts an die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen wenden. Die Landesaufnahmebehörde bezieht anschließend die Ausländerbehörde des gewünschten Wohnorts in das Verfahren ein.
Auch für einen Umzug nach Niedersachsen gelten die unter 6. dargelegten Grundsätze (Lebensunterhaltssicherung + Haushaltsgemeinschaft oder humanitäre Gründe von sonstigem Gewicht).
Sofern der Antrag auf Umzug nach Niedersachsen bewilligt wird, lässt die Landesaufnahmebehörde die Wohnsitzauflage durch die zuständige Behörde des Bundeslandes, aus dem der Wegzug erfolgt, streichen.
II. Umgang mit Wohnsitzauflagen bei Ausbildungsverhältnissen bzw. Beschäftigungen ohne ausreichende Sicherung des Lebensunterhaltes
Asylsuchende, die ihren Lebensunterhalt nicht vollständig selbst sichern können, sind verpflichtet, am zugewiesenen Ort zu wohnen.
Ein Umzug ist in diesen Fällen (gem. § 50 Abs. 4 AsylG) nur möglich, sofern die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht dies erfordern.
Der Erlass bestimmt, dass „konkret bestehende qualifizierte Berufsausbildungsmöglichkeit in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf oder eine konkrete Möglichkeit der Erwerbstätigkeit“ etwa dann einen „humanitären Grund“ darstellen können, wenn
- nach Art und Anlage der Berufsausbildung oder Erwerbstätigkeit von einer Nachhaltigkeit ausgegangen werden kann und
- diese nicht in dem zugewiesenen Zuständigkeitsbezirk der Ausländerbehörde erfolgen kann und
- die Erreichbarkeit der Ausbildungsstelle bzw. Arbeitsstätte von der Entfernung oder Anfahrzeit vom bisherigen Wohnort nachweislich eine zumutbare Grenze überschreitet, so dass es angezeigt erscheint, bei der Ermessensausübung zugunsten einer Umverteilung der Aufenthaltsgestatteten zu entscheiden.
Als Maßstab für eine zumutbare Entfernung zum Ausbildungsort sollte der § 140 SGB III herangezogen werden. Demnach sollte die Fahrtzeit für Hin-und Rückweg insgesamt 2,5 Stunden bei mehr als sechs Stunden Arbeitszeit nicht überschreiten.
Diese Informationen stehen auch als FactSheet zur Wohnsitzauflage (Stand Januar 2024) zur Verfügung.
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