Flüchtlingsrat: Gleiche soziale Rechte für Alle statt Bezahlkartensystem für Geflüchtete

Nach Ansicht des Flüchtlingsrat Niedersachsen sind die Forderungen nach Leistungskürzungen Teil einer großangelegten rassistischen Kampagne gegen Menschen, die eigentlich Unterstützung und Solidarität brauchen. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert die vom niedersächsischen Städtetag geforderte Einführung eines Bezahlkartensystems, die offenbar auch im Städtetag nicht unumstritten ist*.

Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat Niedersachsen:

„Wir brauchen keine rechtspopulistische Hetze, sondern eine rationale Politik, die Ungerechtigkeiten abbaut und Teilhabe ermöglicht. Die Landesregierung ist aufgefordert, sich klar gegen die Pläne von Sachleistungen und Leistungskürzungen bei Geflüchteten stellen“.

Walbrecht erinnerte daran, dass es eine rot-grüne Landesregierung war, die 2013 mit dem Versprechen antrat, „wieder … Menschlichkeit in der Asyl- und Flüchtlingspolitik“ an den Tag zu legen, und als einen der ersten Schritte das Primat der Sachleistungen für Asylsuchende und Geduldete abschaffte. Die CDU geführte Regierung hatte unter Innenminister Schünemann  eine besonders hartherzige Politik gegenüber Schutz suchenden Menschen betrieben und war dafür bei der Landtagswahl abgestraft worden. Die neue Landesregierung hatte damals u.a. auch angekündigt, dass sie die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes auf Bundesebene erreichen wolle.

Sigmar Walbrecht:

Die Vorstellung, Sachleistungen würden Geflüchtete abschrecken und die Asylantragszahlen sinken lassen, ist nachweislich falsch. Eine Fluchtentscheidung wird individuell getroffen und ist komplex – wie auch eine Studie für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus dem Jahr 2013 offenbart. Die Menschen machen sich auf den Weg, weil sie in ihrer Not keine andere Möglichkeit sehen. Und das ist selbstverständlich ihr gutes Recht. Zudem kommen die Menschen mit den Leistungen, die sie nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, ohnehin kaum über die Runden, sodass es ihnen in aller Regel überhaupt nicht möglich ist, ihre Angehörigen in ihrem Herkunftsstaat finanziell zu unterstützen. Daher wäre die erneute Ausgrenzung von Geflüchteten durch Bezahlkarten oder Gutscheine nichts als purer Zynismus„.

Abgesehen davon, dass Sachleistungen oder Leistungskürzungen für Geflüchtete wohl nur schwer mit dem Urteil Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 vereinbar sein dürfte, wonach das menschenwürdige Existenzminimum „migrationspolitisch nicht relativiert“ werden dürfe, werden die ohnehin überforderten Behörden mit noch mehr bürokratischen Aufgaben überhäuft, während gleichzeitig Geflüchtete zunehmend diskriminiert und stigmatisiert werden. Diese Forderungen heizen den Rassismus im Lande weiter an.

Hinzu kommt, dass die Gewährung von Sachleistungen wesentlich mehr Kosten produziert als die Auszahlung von Bargeld – bspw. für Personal und Dienstleister:innen, die zum Beispiel Essen kochen und ausgeben, Kleidung verteilen, Einrichtungsgegenstände besorgen oder den Einkauf und die Lagerung organisieren.

Die rot-grüne Landesregierung sollte die Forderung des Städtetags nach Sach- statt Geldleistungen für Geflüchtete ausdrücklich zurückweisen und sich an ihre Versprechen aus dem Jahr 2013 besinnen: „Menschlichkeit in der Asyl- und Flüchtlingspolitik“ zu praktizieren und die „Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes auf Bundesebene zu erreichen“, um allen Menschen in Deutschland gleiche soziale Rechte zu verschaffen.

Eine gute Zusammenfassung der Gründe, die gegen die Einführung von „Sachleistungen“ sprechen, findet sich hier:
Warum Sachleistungen für Geflüchtete eine schlechte Idee sind

* So warnte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetags, Verana Göppert, vor dem Verwaltungsaufwand durch die Einführung von Sachleistungen oder Bezahlkarten. Eine Geldkarte oder Guthabenkarte, wie sie im Moment diskutiert werde, sei im Vergleich zu den Sachleistungen zwar einfacher zu handhaben. Es werde aber immer wieder einzelne Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geben, die nicht über solche Karten abgewickelt werden könnten, so Göppert.

Kontakt

Flüchtlingsrat Niedersachsen
Sigmar Walbrecht
0511 – 84 87 99 73
sw(at)nds-fluerat.org, nds(at)nds-fluerat.org

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