Abschiebungsschutz für Elvira Gashi – BAMF sieht "unmittelbare Gefahr für Leib und Leben"

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat der Roma Elvira Gashi einen Abschiebungsschutz zugesprochen. Ihr Fall hatte Schlagzeilen gemacht: Elvira wurde zusammen mit zwei minderjährigen Kindern nach 20-jährigem Aufenthalt im Bundesgebiet am 04. Juni 2009 abgeschoben. Wie in vergleichbaren Fällen auch stellte sich das niedersächsische Innenministerium hinter diese Abschiebung und mochte weder in der Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland noch in der Form der Durchführung und den Umständen der Abschiebung ein Problem sehen.

Landrat Jörg Röhmann hatte ein Einsehen: Mit Unterstützung des Kreistages, der sich einmütig hinter die Forderung nach einer Rückkehr von Elvira stellte, gelang es, für Elvira und ihre Kinder neue Pässe zu besorgen. Der Landkreis erteilte der Familie eine „Betretenserlaubnis“ als Grundlage für die Erteilung eines offiziellen Visums, und am 28. März traf Elvira mit ihren Kindern – nach einer Odyssee durch Roma-Flüchtlingslager im Kosovo – wieder in Deutschland ein.

Die jetzt getroffene Entscheidung des BAMF verdeutlicht, dass Elvira nie in das Kosovo hätte abgeschoben werden dürfen.
Weitere Informationen zum Hintergrund hier.

Nachfolgend dokumentieren wir einen Artikel aus der HAZ vom 07.03.2011:

Überwintert in fensterloser Hütte

Hannover. Beinahe zwei Jahre nach ihrer Abschiebung in das Kosovo bekommt Elvira Gashi doch ein Aufenthaltsrecht in Niedersachsen. Entsprechende Angaben ihres Anwalts Dietrich Wollschlaeger bestätigte der Landkreis Wolfenbüttel auf Anfrage. Der Fall der heute 23 Jahre alten Frau hatte wegen der Umstände der nächtlichen Abschiebung im Juni 2009 landesweit für große Empörung gesorgt und breite Unterstützung hervorgerufen für die junge Frau aus Wolfenbüttel und ihre heute fünf und vier Jahre alten Kinder.

„Die Form der Abschiebung war fragwürdig und rechtswidrig“, sagt Kai Weber vom Flüchtlingsrat. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge formuliert es heute so: Elvira Gashi und ihre Kleinkinder dürfen, nachdem sie im März des Vorjahres mit einer Ausnahmegenehmigung zurück nach Deutschland kommen konnten, aus humanitären Gründen nicht wieder abgeschoben werden. Ihnen drohe im Kosovo eine „unmittelbare und konkrete Gefahr an Leib und Leben“.

Diese Einschätzung sei schon vor zwei Jahren zutreffend gewesen und müsse für alle allein lebenden Roma-Frauen und ihre Kinder gelten, findet Gashis Anwalt Wollschlaeger: „Sie sind in der ehemaligen jugoslawischen Provinz schutz- und rechtlos.“

Gashi war dennoch im Juni 2009 ohne Ankündigung nachts um drei Uhr aus ihrer Wohnung in Wolfenbüttel geholt und nach Frankfurt gebracht worden. Von dort wurde sie in das Kosovo abgeschoben. Mit ihr im Flugzeug saß ausgerechnet der ehemalige Lebensgefährte, der sie monatelang gequält und geschlagen hatte. In der Stadt Pec im Kosovo, wo Roma einer Minderheit angehören, mussten die mittellose und auf sich selbst gestellte Gashi mit ihren beiden Kleinkindern den Winter über in einer Hütte hausen – ohne Fenster und Heizung. Die junge Roma war als Zweijährige als Flüchtling vor dem Bürgerkrieg im damaligen Jugoslawien nach Deutschland gekommen und hat keine Verbindungen mehr in das Kosovo.

Erst nachdem der Landrat des Kreises Wolfenbüttel, Jörg Röhmann (SPD), sämtliche Fraktionen im Kreistag, die Opposition im Landtag, der Flüchtlingsrat und der braunschweigische Landesbischof Friedrich Weber laut gegen die Abschiebung protestiert hatten, konnte die Kleinfamilie Gashi nach Deutschland zurück kehren. Nun wird sie auch offiziell ein Aufenthaltsrecht bekommen.

Die grüne Migrationspolitikerin Filiz Polat fordert jetzt erneut einen generellen Abschiebestopp für Roma in das Kosovo. Sie widerspricht auch der Auffassung des Innenministeriums, das Land habe wegen eines Rückführungsabkommens zwischen der Bundesrepublik und dem Kosovo keinen Entscheidungsspielraum: „Niedersachsen hat aus humanitären Gründen ein eigenes Ermessen.“ Innenminister Uwe Schünemann (CDU) will dennoch nichts von einem generellen Verzicht auf Abschiebungen in das Kosovo wissen. Elvira Gashi sei „ein Einzelfall“. Nach inoffiziellen Schätzungen leben in Niedersachsen 4000 bis 5000 Roma, die von der Abschiebung bedroht sind.

Klaus Krake, früher Amtsleiter der Ausländerbehörde des Landkreises Wolfenbüttel, sagt rückblickend: „Die Umstände der Abschiebung haben zu Recht für Empörung gesorgt.“ Die Ausländerbehörde sei gegen die eigene Auffassung vom Innenministerium angehalten worden, die Abschiebung umzusetzen. „Aus der Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu Frau Gashi kann man nur einen Schluss ziehen: Das Land muss auf weitere Abschiebungen von alleinstehenden Roma-Frauen verzichten.“ Gashis Abschiebung sei „ein klarer Verfassungsverstoß“ gewesen.

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