Ehem. Verfassungsrechtler Mahrenholz erneuert seine Forderung nach einem Runden Tisch: „Es muss sicher sein, dass niemandem Gefängnis droht“

KEHRWIEDER-Interview mit Verfassungsrechtler Ernst Gottfried Mahrenholz

„Es muss sicher sein, dass niemandem Gefängnis droht“

Hannover. Für den ehemaligen Vize-Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Professor Dr. Ernst Gottfried Mahrenholz, ist Kritik an der Flüchtlingspolitik des Landes Niedersachsen keine Frage der politischen Opposition. Der Sohn eines protestantischen Pastors und Kirchenmusikers gehört vielmehr „zu den Menschen, die auf das Schmerzlichste betroffen sind, dass in diesem Bundesland Dinge passieren, die nicht hätten geschehen dürfen“, wenn es einen menschlichen Ruf behalten wolle. KEHRWIEDER-Redakteur Lothar Veit fragte den Juristen, wie er den aktuellen Abschiebefall im Landkreis Hildesheim bewertet.

KEHRWIEDER: Sie haben sich nicht zum ersten Mal in die Flüchtlings- und Abschiebepolitik des Landes Niedersachsen eingemischt. Was treibt Sie an?

Ernst Gottfried Mahrenholz: Der Wille, dass Abschiebungen unter strikt menschenwürdigen Umständen geschehen.

Was halten Sie an dem aktuellen Fall der Familie Naso aus Giesen für skandalös?

Mahrenholz: Die Familie hätte nicht auseinandergerissen werden müssen, wenn man den Verfassungsschutz der Familie ernst genommen hätte. Dass der Junge wegen nicht ausreichender Schulnoten abgeschoben wurde, ist ein Unding, auch deshalb, weil er sich ja in der örtlichen Fußballmannschaft sehr engagiert hat, die Bedingungen für eine altersgemäße Integration bereits gegeben waren.

Wie stehen Sie generell zu Abschiebungen nach Syrien?

Mahrenholz: Zu Abschiebungen nach Syrien habe ich kein generelles Urteil. Es muss allerdings, gegebenenfalls auf diplomatischem Wege, sicher sein, dass niemandem Gefängnis droht.

Alle Beteiligten des Landkreises Hildesheim und des Landes Niedersachsen argumentieren immer streng juristisch. Was sagen Sie denen als ehemaliger Verfassungsrichter?

Mahrenholz: Auch ich argumentiere, wenn ich auf die oberste Verfassungsnorm der Bundesrepublik verweise, streng juristisch. Und die Verwirklichung dieser Norm steht über allen anderen rechtlichen Bedenken oder Anforderungen.

Wie soll die Arbeit eines Runden Tisches konkret aussehen? Oder anders gefragt: Warum sollte dieses Gremium mehr Einfluss haben als die bereits bestehende Härtefallkommission?

Mahrenholz: Die Arbeit des Runden Tisches könnte ermöglichen, dass nicht immer nur im Duell der Landtagssitzungen solche Probleme behandelt werden. Der Runde Tisch ermöglicht eher eine aufgeschlossene Atmosphäre und eher Verständnis für die beiderseitigen generellen Gesichtspunkte. Sind diese unter Beteiligung des Innenministeriums herausgearbeitet, wäre es Sache der Regierung, sie ihrer Politik zugrunde zu legen. Die Härtefallkommission beschäftigt sich dagegen mit Einzelfällen.

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