Pressemitteilung des Flüchtlingsrat vom 24.02.2011
Landkreis Wesermarsch will zwei jugendliche Roma ohne Eltern in das Kosovo abschieben
Verwaltungsgericht Münster untersagt die Abschiebung wegen fehlender Auffangstruktur
Erst durch einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Münster ist es vorläufig gelungen, den Landkreis Wesermarsch daran zu hindern, zwei unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ohne Eltern oder Angehörige in das Kosovo abzuschieben.
Die beiden 15 und 17 Jahre alten Brüder, deren Vater vor einigen Jahren in Deutschland verstorben ist, waren im Dezember 2009 bereits einmal mit ihrer Mutter in das Kosovo abgeschoben worden. Dort lebten sie unter katastrophalen Bedingungen, mehrfach wurden sie und ihre Mutter von Albanern angegriffen und misshandelt. Im Dezember 2010, fast genau ein Jahr nach ihrer Abschiebung, schafften die Brüder es, zurück nach Deutschland zu kommen. Von ihrer Mutter wurden sie auf der Flucht getrennt. In Deutschland wurden sie von einem Cousin und dessen Familie im Landkreis Wesermarsch aufgenommen.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen stand den Brüdern und ihrem Cousin beratend zur Seite und stellte umgehend den Kontakt zum Jugendamt des Landkreises Wesermarsch her. Statt die unbegleiteten Minderjährigen in Obhut zu nehmen, schickte das Jugendamt, das eigentlich über die Wahrung des Kindeswohls zu wachen hätte, die beiden Brüder am nächsten Tag direkt zur Ausländerbehörde. Der zuständige Sachbearbeiter ließ sie sofort von der Polizei in Gewahrsam nehmen. Nur durch die sofortige Intervention eines Rechtsanwaltes konnte Abschiebungshaft verhindert werden.
Am Morgen des 19. Januar versuchte die Ausländerbehörde, die Brüder in den Kosovo abzuschieben. Die Abschiebung scheiterte nur daran, dass einer der beiden zum Zeitpunkt der – vorher nicht angekündigten – Abholung nicht zu Hause war. Der zum Vormund bestellte Mitarbeiter des Jugendamtes hatte es bis zu diesem Tag nicht einmal geschafft, seine Mündel ein einziges Mal zu besuchen.
Es ist erschreckend zu sehen, mit welcher Energie der Landkreis Wesermarsch hier die Abschiebung von zwei unbegleiteten Jugendlichen betreibt, um ein Exempel zu statuieren, statt seinen Pflichten zum Schutz des Kindeswohls nachzukommen. Denn auch nach der missglückten Abschiebung hält die Ausländerbehörde daran fest, die beiden Jugendlichen in das Kosovo abschieben zu wollen. In einem Schreiben an deren Rechtsanwalt begründet der zuständige Sachbearbeiter der Ausländerbehörde die Anordnung der Abschiebung wie folgt: „Es steht zu befürchten, dass die Jugendlichen mit der Unterstützung Ihrer Kanzlei, der Medien und des Niedersächsischen Flüchtlingsrates mit aller Kraft versuchen werden, den illegalen Aufenthalt in Deutschland möglichst lange hinauszuzögern, um letztendlich vielleicht einen legalen Aufenthalt zu erzwingen.“ Er führt weiter aus, dass von diesem Verfahren eine „Präventivwirkung“ für andere Ausländer ausgehen müsse. Weder das geltende Jugendhilferecht noch die UN-Kinderrechtskonvention oder die EU-Rückführungsrichtlinie, die die Wahrnehmung des Kindeswohls sowie den Nachweis einer Auffangstruktur für Minderjährige vorschreiben, spielte dabei für den Landkreis Wesermarsch irgendeine Rolle.
Der Argumentation des LK Wesermarsch mochte das Verwaltungsgericht Münster denn auch nicht folgen. Es stellte in seinem Eilbeschluss fest, dass es nicht verantwortet werden könne, die beiden in Deutschland geborenen Minderjährigen in ein ihnen fremdes Land zu schicken, ohne zu wissen, wo sich deren Mutter aufhält oder ob es im Kosovo noch Verwandte gibt, die für sie sorgen könnten. Dass es einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes bedurfte, um die Berücksichtigung des Kindeswohls sicher zu stellen, wirft ein trauriges Licht auf den Stellenwert von Kinderrechten im Landkreis Wesermarsch.
weitere Informationen: Bastian Wrede 05121/15 60 5 oder bw@nds-fluerat
Anlage:
- Anordnung zur Ausweisungsverfügung des Lkr. Wesermarsch (2 Dateien)
Landkreis Wesermarsch Seite 1 ; LandKreis Wesermarsch Seite 2
- Beschluss des VG Münster (2 Dateien)
Verwaltungsgericht Münster Seite 1 ; Verwaltungsgericht Münster Seite 2
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