Mit 50 Teilnehmenden live und 25 Personen online verfolgten 75 Menschen unsere Auftaktveranstaltung zur Kampagnenwoche „Asylbewerberleistungsgesetz – abschaffen!“ im Faust.
Nachdem Vertreter:innen von SPD, FDP und CDU abgesagt hatten (sic!), moderierte unser Kollege Sigmar Walbrecht durch einen Abend, an dem Filiz Polat, Claire Deery, Andrea Kothen und Susanne Köhring den rassistischen Normalzustand des AsylblG aus unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchteten.
Den Anfang machte Andrea Kothen von PRO ASYL, die die Genese der Kampagne darstellte, vor Augen führte, dass seit Anbeginn dieses Sondergesetzes unzählige Organisationen, Vereine und Wohlfahrtsverbände dagegen gewesen seien, dass die meisten dieser Organisationen auch heute wieder hinter dem Ziel „AsylblG – abschaffen!“ stünden, dass es aber leider trotzdem nicht gelungen sei, mehr als die Zusage, man wolle das AsylblG „im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiterentwickel[n]“, in den Koalitionsvertrag hinein zu verhandeln.
In der Folge bettete Susanne Köhring vom AK Asyl Göttingen das AsylblG in seinen historischen Kontext ein und erinnerte an den rassistischen Diskurs der späten 80er und frühen 90er Jahre, der das Gesetz möglich machte, und von welch massiven Protesten es von Anfang an insbesondere aus der migrantischen Comunity heraus begleitet war. Auch die vielfältige Praxis eines Unterlaufens der beabsichtigten Ausgrenzung durch Gutscheintauschbörsen u.ä. rief sie in Erinnerung.
Doch obwohl das AsylblG sogar vom Bundesverfassungsgericht als rechtswidrig eingestuft wurde, wie sie im Anschluss darlegte, hält die Politik weiter an dem Sondergesetz fest. Im Laufe seiner 30-jährigen Geschichte wurden nach ursprünglich zwei inzwischen enorm viele Kürzungstatbestände willkürlich festgelegt, bei deren Vorliegen die Leistungen nach AsylblG als „Bestrafung“ gekürzt werden können.
Filiz Polat, BT-Angeordnete B90/GRÜNE und dort Obfrau des Ausschusses für Inneres und Heimat, schloss den Eröffnungsreigen mit dem Verweis auf die im Mai 2023 laufende Debatte auf dem Flüchtlingsgipfel um das burdensharing zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Der verschärfende Tenor der dortigen Debatte zeige auf, gegen welchen rechtspopulistischen Gegenwind die derzeitige Forderung nach einer Abschaffung des AsylblG gesetzt werden muss. Gerade die kommunalen Spitzenverbände forderten eine finanzielle Entlastung, aber sähen nicht, wie sehr sie der Wechsel der ukrainischen Geflüchteten ins reguläre (durch den Bund finanzierte) Sozialsystem entlastet hat und wie entlastend auch ein Wechsel anderer Asylsuchender ins normale Sozialsystem wäre. SPD und FDP, die schon bei der Einführung des AsylblG 1993 mit gezeichnet hatten, weigerten sich kategorisch, das Thema AsylblG anzufassen, und verwiesen auf weitere anhängende Urteile des Bundesverfassungsgerichts.
Diese kategorische Weigerung seitens der Politik von der CDU über die FDP bis zur SPD sei es denn auch, die den Kampf gegen das AsylblG so zermürbend macht. Und tatsächlich werde die Kampagne „Asylbewerberleistungsgesetz – abschaffen!“ außerhalb eines Kreises gut informierter Interessierter kaum gehört, ja finde sie in den Medien nicht statt.
So scheint die Kampagne bis jetzt eine für Expert:innen zu sein, auch, weil das Thema AsylblG angesichts z.B. der migrationspolitischen Gewalt an den Außengrenzen immer wieder schnell ins Hintertreffen gerät. Dabei, so Andrea Kothen, hätten wir die Argumente schon immer auf unserer Seite gehabt. Das Gesetz, das von Anfang an der Abschreckung diente, schreckt nicht ab. Die Kosten, die es einsparen soll, spart es nicht ein, und der vom Gesetzgeber ursprünglich ins Feld geführte Abschreckungseffekt gegenüber Flüchtlingen mit wirtschaftlichen Fluchtgründen ist nicht nur verfassungswidrig, sondern spottet angesichts einer Anerkennungsquote von 72% bereits beim BAMF jeder Beschreibung. Vielleicht kann man gerade in Kriegszeiten den nationalistischen Zweck solch ausgrenzender Sondergesetze gar nicht hoch genug bewerten. Ein Zweck, dem mit Argumenten nur bedingt bei zu kommen ist.
Beikommen muss man dem AsylblG aber allein schon aus verfassungsrechtlicher Sicht, wie RA’in Claire Deery betonte. So Claire Deery machte deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht eindeutig festgestellt hat, dass eine Unterschreitung des Existenzminimum gegen das Grundgesetz verstößt und auch nicht migrationspolitisch zu relativieren sei. „Das Existenzminimum ist in Deutschland durch das SGB II und SGB 12 bestimmt. Ein vermeintlich geringerer Bedarf, den Geflüchtete hätten, müsste der Gesetzgeber auch entsprechend begründen, was bisher nie überzeugend geschehen ist.“
Beikommen kann man der Wirkung des AsylblG aber auch mit Klagen. Denn, so RAin Claire Deery, da das AsylblG rechtswidrig ist, gewinnt, wer Geduld hat, vor Gericht fast immer. „Fast alle Leistungsbescheide nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erweisen sich nach gründlicher Prüfung als rechtswidrig“, so Deery. Denjenigen, die den Klageweg beschreiten, würden dann auch ordentlich die unrechtmäßig gekürzten Mittel nachbezahlt. Im Übrigen brauche man nur auf die noch ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts warten, die nochmals Argumente gegen das AsylblG liefern werde.
Bis dahin aber heißt es, die Kampagne „Asylbewerberleistungsgesetz – abschaffen!“ weiter zu befeuern!
Die Veranstaltung könnt ihr übrigens auf unserem youtube-Kanal nachschauen.
siehe auch: Im Auftrag Diskriminierung – Kleine Geschichte von Schikanen durch das AsylbLG
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