Widerruf Êzîd:innen: Flüchtlingsrat kritisiert BAMF und fordert bundesweites Aufnahmeprogramm für Opfer des Genozids

Der Flüchtlingsrat hat den Widerruf von Anerkennungsbescheiden für fast 1.500 Êzîd:innen durch das BAMF scharf kritisiert:

„Durch seine fahrlässige und leichtfertige Widerrufspraxis hat das BAMF Hunderte êzîdische Familien in Angst und Ungewissheit gestürzt, denen mit Entzug ihres Flüchtlingsstatus der Boden unter den Füßen weggezogen wird“, kritisiert Karim Alwasiti, Fachreferent für Familiennachzug beim Flüchtlingsrat. „Eine hinreichende Sicherheit für eine Rückkehr in Würde sehen wir aber für êzîdische Geflüchtete nicht.“

Am 17. Januar 2023 wurde im Bundestag  ein gemeinsamer Antrag von SPD, CDU/CSU, Grünen und der FDP einstimmig angenommen, der die Verbrechen gegen Êzîd*innen durch den IS als Genozid anerkennt. Zur Situation der gefüchteten Êzîd*innen aus Sinjar wird festgehalten:

Ihre sichere Rückkehr ist aufgrund der hoch volatilen Sicherheitslage, die noch immer in Sinjar vorherrscht, kaum möglich: Immer wieder erstarken lokale Keimzellen des IS in Sinjar oder umliegenden Gebieten.“

Man wolle ihnen „[…] weiterhin unter Berücksichtigung ihrer nach wie vor andauernden Verfolgung und Diskriminierung im Rahmen des Asylverfahrens Schutz zu gewähren […]“.

Die Praxis des BAMF spricht eine andere Sprache: Mittlerweile erhalten weniger als die Hälfte der Êzîd*innen aus dem Irak vom BAMF noch einen Schutzstatus, und fast 1500 in Deutschland als Geflüchtete anerkannten Êzîd:innen wurde der Schutz nach Aktenlage widerrufen, wenn sich nicht im Einzelfall konkrete Hinweise auf eine fortbestehende Verfolgung nachweisen ließen. Die Forderung nach einer politischen Bleiberechtsregelung für jesidische Überlebende des Genozids lehnte die Bundesregierung ab.

Der Flüchtlingsrat fordert eine umgehende Korrektur dieser Entscheidung:

„Wenn die hehre Erklärung des Bundestags vom 17. Januar 2023 keine praktischen Folgen hat, ist sie das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurde. Wir fordern einen sicheren Schutz für alle êzîdischen IS-Opfer, die in Deutschland Schutz vor dem IS gefunden haben, und ein Aufnahmeprogramm für die Familienangehörigen dieser Menschen, die teilweise bis heute in elenden und unsicheren Flüchtlingsquartieren leben und einen Familiennachzug bislang nicht organisieren konnten“, so Karim Alwasiti.

Welche Folgen der Entzug des Flüchtlingsstatus hat, wird am Beispiel der Hayfaa Elias deutlich, deren Schicksal derzeit die Medien beschäftigt. Der Flüchtlingsrat fordert das BAMF auf, den Widerrufsbescheid für die junge Êzîdin von Amts wegen zurückzunehmen und den status quo ante wiederherzustellen: Hayfaa Elias und ihre Familie wurden vom IS vertrieben und wären im Fall einer Rückkehr in den Irak auch weiterhin bedroht. Darüber hinaus fordert der Flüchtlingsrat eine erneute Überprüfung aller 1500 bislang erfolgten Widerufsentscheidungen gegenüber êzîdischen Geflüchteten.

Hintergrundinfos

IMK-Beschluss: Abgeschoben werden derzeit nur Iraker:innen, die wegen einer Straftat verurteilt oder von der Polizei als Gefährder eingestuft wurden (BT-Drs. 19/28265). Für die Betroffenen besteht dennoch Unsicherheit, weil ein förmlicher Abschiebungsstopp von den Innenminister:innen nicht beschlossen wurde.
Abschiebungen: Im vergangenen Jahr gab es 77 Abschiebungen in den Irak. Frauen waren soweit ersichtlich nicht darunter.
Bundestagsresolution: Bundestagsbeschluss von CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen vom 13.01.2023

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