Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert Adressermittlungspflicht des BAMF sowie Verpflichtung der Landesaufnahme- und Ausländerbehörden, Adressänderungen dem BAMF von Amts wegen mitzuteilen
Immer häufiger können Schriftsätze und Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Geflüchteten nicht zugestellt werden, da der Behörde die Adresse nicht bekannt ist. Rechtlich sind die Asylsuchenden verpflichtet, jede Änderung ihrer Adresse dem BAMF mitzuteilen, aber das ist den Betroffenen oftmals nicht bewusst. In der Konsequenz werden Asylverfahren eingestellt und Bescheide rechtskräftig, die die betroffenen Asylsuchenden nie erreicht haben. Daher fordert der Flüchtlingsrat jetzt die Einführung einer Adressermittlungspflicht des BAMF. Darüber hinaus müssen die Landesaufnahmebehörden sowie die kommunalen Ausländerbehörden verpflichtet werden, jede Adressänderung dem BAMF von Amts wegen mitzuteilen.
„Die Einstellung von Asylverfahren auf der Grundlage von Zustellungsfiktionen ist rechtsstaatlich mehr als bedenklich“, erklärt Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen. „Die ganze Verantwortung bei dieser selbst für Deutsche schwer durchschaubaren Behörden-Konstellation allein den Antragstellern aufzubürden, ist trotz der formalen Belehrungen durch das BAMF nicht in Ordnung.“
Aufgrund der massiven Ausweitung der Aufnahmeressourcen bei der Landesaufnahmebehörde werden Asylsuchende derzeit oftmals erst nach mehreren Monaten auf die Kommunen verteilt und zwischen verschiedenen Aufnahmeeinrichtungen des Landes hin- und hergeschoben: Geflüchtete werden beispielsweise zunächst in Bad Fallingbostel/Oerbke untergebracht, anschließend zur Registrierung in den Messehallen verbracht und nach vier Wochen erneut nach Fallingbostel zurückverwiesen. Anschließend erfolgt dann eine Verteilung z.B. auf die Stadt Hannover, mit Unterbringung in einer anderen Messehalle. Aus dieser Halle erfolgt später die Zuweisung einer kommunalen Unterkunft oder Wohnung. Diese wiederholten Änderungen der Meldeadresse werden dem BAMF, der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Behörde, aber nicht von Amts wegen mitgeteilt.
Nach geltendem Recht stellt das BAMF seine Bescheide und Schriftsätze grundsätzlich an die Anschrift zu, die dem BAMF zuletzt vom Antragstellenden oder einer öffentlichen Stelle mitgeteilt wurde. Zu weiteren Nachforschungen ist das BAMF nicht verpflichtet, wie das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 20.08.2020 – 1 C 28/19 entschieden hat. Ausdrücklich sieht die Durchführungsanordnung des BAMF vor, dass das BAMF nicht verpflichtet sei, eigenständig Nachforschungen zur Anschrift anzustellen oder Auskunft über das Ausländerzentralregister einzuholen. Die dort gespeicherten Daten seien dem BAMF, so heißt es in der Dienstanordnung, nicht zuzurechnen. Selbst wenn das BAMF aufgrund von früheren unzustellbaren Schreiben weiß, dass die letztbekannte Adresse nicht mehr aktuell ist, soll eine Zustellung von Schriftsätzen und Bescheiden ohne Anschriftenermittlung weiterhin an die letztbekannte Adresse erfolgen. Eine Anschriftenermittlung sei nur in Widerrufsverfahren erlaubt.
Die Aussage, dass AZR- Infos dem BAMF nicht zuzurechnen seien, ist in unseren Augen schlichter Unfug: Wem denn sonst, ist man versucht zu sagen. Da die Einträge im AZR aber oftmals nicht zeitnah aktualisiert werden, ist der Verweis auf das AZR keine Lösung des Problems. Eine telefonische Nachfrage bei den Landesaufnahmebehörden bzw. bei der zuständigen Ausländerbehörde könnte dem BAMF aber zugemutet werden und reicht in der Regel auch aus. Wenn darüber hinaus die Landesaufnahme- und Ausländerbehörden verpflichtet werden, Adressänderungen von Amts wegen dem BAMF mitzuteilen, wäre zumindest die Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Durchführung von Asylverfahren gewährleistet.
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