Alleinstehende in Gemeinschaftsunterkünften: Widerspruch gegen AsylbLG-Leistungen einlegen!

Das Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, „dass § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist“.
Das bedeutet, die Kürzung der Leistungen um 10% für alleinstehende bzw. alleinerziehende Erwachsene in Gemeinschaftsunterkünften, die Leistungen nach § 2 AsylbLG erhalten stehen die ungekürzten Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 zu.

Es ist daher jetzt wichtig, dass alle alleinstehenden/alleinerziehenden Erwachsenen in Gemeinschaftsunterkünften zeitnah Widerspruch gegen noch nichts rechtskräftige Bescheide einlegen!

Wir geben unten die Erklärungen sowie Hinweise zum Vorgehen dazu von Rechtsanwalt Sven Adam wieder:

1. Regelbedarfskürzungen für Alleinstehende und Alleinerziehende in den Gemeinschaftsunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen

Am 21.08.2019 ist das sog. „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ und am 01.09.2019 das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes in Kraft getreten. Beide Gesetze enthalten massive Leistungskürzungen insbesondere für Alleinstehende und Alleinerziehende in den Gemeinschaftsunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen.

Mit der Neuregelung im Asylbewerberleistungsgesetz wurden zwar endlich die Bedarfssätze angepasst (nachdem die letzte Erhöhung 2016 erfolgt ist und eine Fortschreibung durch die Behörden trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht durchgeführt wurde). Allerdings hat der Gesetzgeber eine neue Bedarfsstufe für Alleinstehende eingeführt, die noch nicht in einer eigenen Wohnung wohnen. Sie erhalten genauso viel wie Ehegatten und damit nur etwa 90 % der vollen Leistungen.

Laut dem Gesetzeszweck soll „der besonderen Bedarfslage von Leistungsberechtigten in Sammelunterkünften“ Rechnung getragen werden. Es sei davon auszugehen, dass eine Gemeinschaftsunterbringung für die Bewohnerinnen und Bewohner solcher Unterkünfte Einspareffekte zur Folge hat, die denen in Paarhaushalten im Ergebnis vergleichbar sind.

Diese Regelung betrifft aktuell sämtliche Alleinstehenden und Alleinerziehenden in Sammelunterkünften (Gemeinschaftunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen), die Existenzsicherungsleistungen nach dem AsylbLG erhalten.

Auch die Betroffenen, die bereits Analogleistungen nach § 2 AsylbLG erhalten, bekamen nur noch 90 % der vorherigen Leistungen.

Diese Regelung wurde von dem Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 23.11.2022 (Az.: 1 BvL 3/21) allerdings für verfassungswidrig erklärt und als Übergangsregelung verfügt, dass alle alleinstehenden erwachsenen Bezieher*innen von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG ab sofort die Regelbedarfsstufe 1 – also die volle Regelleistung – erhalten müssen. Diese Entscheidung gilt noch nicht unmittelbar auch für alleinstehende erwachsene Bezieher*innen von Grundleistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG – ist allerdings inhaltlich übertragbar. Daher sind auch alle alleinstehenden erwachsenen Bezieher*innen von Grundleistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG gehalten, nun gegen noch nicht bestandskräftige Bescheide vorzugehen.

Praktische Vorgehensweise:

Wir raten aktuell allen Betroffenen in den Gemeinschaftsunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen, Widerspruch gegen ihre noch nicht bestandskräftigen Sozialleistungsbescheide einzulegen. Auch wenn die Widerspruchsfrist bereits abgelaufen ist, kann rechtlich gegen bestimmte die Kürzungen vorgegangen werden – dies sollte aber unbedingt vor einer weiteren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Kürzungen im Bereich der §§ 3, 3a AsylbLG erfolgen, da sonst Nachzahlungsansprüche verloren gehen können.

2. Zweifel an Verfassungsmäßigkeit der Grundleistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG

Mit Beschluss vom 26.01.2021 hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in dem Verfahren zu dem Az.: L 8 AY 21/19 dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt,

ob § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 5 i. V. m. Abs. 1 Satz 5 und 8 AsylbLG in der 2018 geltenden Fassung der Bekanntmachungen vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I 1722) und 11. März 2016 (BGBl. I 390) sowie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 26. Oktober 2015 (BGBl. I 1793) mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Dem dortigen Verfahren liegt ein Sachverhalt aus dem Jahr 2018 zu Grunde, nach dem die Klägerin während des streitigen Leistungszeitraumes noch nicht länger als 15 Monate (heute 18 Monate) in der BRD aufhältig war und daher sog. Grundleistungen nach § 3 AsylbLG bezogen hat.

Das Gericht ist hierbei davon überzeugt, dass bereits eine an die Aufenthaltsdauer geknüpfte Leistungskürzung durch die Gewährung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG statt sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Hiernach habe der Gesetzgeber nicht hinreichend belegt, dass sich die Aufenthaltsdauer konkret auf existenzsichernde Bedarfe auswirkt und inwiefern dies die gesetzlich festgestellte Höhe der Geldleistungen tragen könnte.

Die Ausführungen, die das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zur Begründung des Vorlagebeschlusses vom 26.01.2021 zur Rechtslage im Jahr 2018 getätigt hat, sind auf die heute Rechtslage zwanglos übertragbar. Auch nach der Gesetzesänderung zum 01.09.2019 hat sich an der ausgebliebenen Erhebung vermeintlicher Minderbedarfe durch einen kürzeren Aufenthalt als 18 Monate nichts geändert. Auch die nun bewilligten Leistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG in den ersten 18 Monaten des Aufenthaltes in der BRD sind hiernach ggf. verfassungswidrig.

Dies betrifft alle Bezieher*innen von Grundleistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG!

Praktische Vorgehensweise:

Wir raten daher allen Bezieher*innen von Grundleistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG Widerspruch gegen neue Sozialleistungsbescheide einzulegen.

Auch wenn die Widerspruchsfrist bereits abgelaufen ist, kann rechtlich mit sog. Überprüfungsanträgen vorgegangen werden! Allerdings sind Überprüfungsanträge nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr möglich.

Wenn uns die erforderlichen Unterlagen hierher übermittelt werden, übernehmen wir gerne die Vertretung und werden Widerspruch einlegen.

Hierfür benötigen wir

– den aktuellsten Sozialleistungsbescheid (falls vorhanden)
– ein unterzeichnetes Vollmachtsformular (im Anhang)
– einen ausgefüllten Mandant*innenfragebogen (im Anhang)

Wir nehmen die Unterlagen per Post und gern vorab per e-mail als Scans oder als abfotografierte Dokumente an.

Wir übernehmen das Mandat auf Prozesskostenhilfebasis. Vorschüsse fordern wir nicht an.

Unterlagen und Nachfragen bitte an: kontakt@anwaltskanzlei-adam.de oder über die

Mobilfunknummer +491706001309 für die Apps WhatsApp, Telegramm, Signal, Threema-ID: BP2TVD4X , Wire: SekretariatRASvA.

Viele Grüße
Sven Adam | Rechtsanwalt

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