Obwohl viele Betriebe händeringend Personal suchen und Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können, kommt es auch in Niedersachsen immer wieder zu grotesken Auseinandersetzungen um ein Bleiberecht von Menschen, die seit Jahren geduldet sind. Das Beispiel des pakistanischen Geflüchteten Asim A. verdeutlicht, welche Widerstände zuweilen überwunden werden müssen, um Geflüchteten zu einem Bleiberecht zu verhelfen. Am Ende gelang es dem Tischlermeister Jörg Wolter Sube mit tatkräftiger Hilfe des Flüchtlingsrats, durchzusetzen, dass Asim eine Ausbildung absolvieren und bleiben konnte:
Bericht von Tischlermeister Jörg Wolter Sube
Anfang Juli 2019 bewarb sich Asim bei mir im Betrieb um einen Ausbildungsplatz als Tischler. (…) Die Zeichen standen gut, wir hatten uns zum richtigen Zeitpunkt gefunden und beschlossen, den Ausbildungsvertrag zu schließen, um zu einer erfolgreichen Ausbildung zu kommen. Es gab nur eine vermeintlich kleine Einschränkung, die ich unterschätzt hatte: Nach diesem Bewerbungsgespräch Ende Juli 2019 teilte mir Asim mit, dass die Behörde die Arbeitserlaubnis entzogen hatte, und dass er (weil aus dem vermeintlich sicheren Herkunftsland Pakistan migriert ist) in den Flieger gesetzt werden sollte, um in das Heimatland ausgewiesen zu werden.
Es wuchs die Idee, schnell einen Lehrvertrag zu schließen, um damit vielleicht eine Duldung zu Ausbildungszwecken herbeizuführen und einen sicheren Aufenthaltsstatus für ihn zu erreichen. Das Abschließen des Ausbildungsvertrags haben wir umgehend durchgeführt und der Handwerkskammer zur Eintragung vorgelegt. Am gleichen Tag am Nachmittag hielten wir den Vertrag in der Hand.
Nach Einreichung des Vertrages teilte mir auf Nachfrage die Ausländerbehörde im Juli 2019 jedoch am Telefon mit:
„…zu 99% wird er abgeschoben!“
Mit verbliebener 1% – Chance, viel Optimismus und Kampfgeist begann für uns mit der formlosen Beantragung der Duldung zu Ausbildungszwecken im August 2019 eine Odyssee durch die Behörden der Region Hannover. Um sicher zu gehen, schaltete ich einen Anwalt ein, mit dem zusammen wir am 29. September 2019 eine Eingabe bei der Härtefallkommission des Landes Niedersachsen einreichten. Die Fronten verschärften sich, und mir wurde in einem Telefonat mit der Behörde klargemacht, dass eine Beschäftigung zu Ausbildungszwecken ohne Ausbildungszusage der Behörden einer Straftat durch illegale Beschäftigung gleich komme und ich dieses ausdrücklich zu unterlassen habe.
Wir haben uns daran gehalten und auf eine baldige Entscheidung in der Sache gehofft.
Die Sommerferien und eine sehr zögerliche Bearbeitung der Region Hannover zeigten uns dann, dass damit nicht so schnell zu rechnen war. Dieses Verhalten der Behörde veranlasste mich, ab August 2019 an die Öffentlichkeit zu gehen.
Es folgten eine Pressemitteilung und Hunderte von Mails und Telefonate an Kommunal- Landes- Bundespolitiker sowie einige EU-Parlamentarier. NGO’s und viele Interessierte, von denen wir die Kontaktdaten bekommen konnten, wurden über unseren Fall informiert. Die Neue Presse nahm sich der Sache an und berichtete umfangreich am 05. August 2019, auch der Norddeutsche Rundfunk zeigte Interesse. Aus Telefonaten von Unterstützern weiß ich, dass sich mittlerweile auch schon die Landespolitik in den Fall einmischte. Die Ausländerbehörde hatte vermutlich nicht damit gerechnet, dass sich ein Handwerker als so renitent herausstellte und darüber hinaus über Pressekontakte verfügte.
Es gab nun erste Kontakte mit der aufgeschreckten Behörde. Die Behördenleitung kümmerte sich nun um dieses Anliegen. Immer wieder wechselten die Sachbearbeiter und Zuständigkeiten. Verhandlungen und Anforderungen von Papieren folgten. Am 30.September 2019 erfuhren wir, dass der Fall von der niedersächsischen Härtefallkommission zur Beratung angenommen wurde. Ich wurde gebeten, die Presse erst einmal rauszuhalten und das Fernsehen davon abzubringen, jetzt zu diesem Zeitpunkt darüber zu berichten. Also stoppten wir unsere Aktivitäten zunächst.
Die Hoffnung, dass Bewegung in die Sache kommt, wurde jedoch enttäuscht: Monatelang bewegte sich nichts, obwohl die Lehrzeit längst hätte beginnen sollen. Somit sah ich mich genötigt, erneut die Presse einzuschalten. Am 07.10.2019 erschien der zweite Zeitungsartikel in der Neuen Presse von Hannover, in dem ausführlich darüber berichtet wurde, dass mein Azubi jetzt ein Härtefall ist und seine Ausbildung noch nicht beginnen durfte.
Dann ging alles ganz schnell: Am 14.10.2019 erhielt Asim seine Duldung zu Ausbildungszwecken, nicht ohne den Hinweis, dass ich bei nicht fristgerechter Mitteilung eines Abbruchs der Ausbildung mit einer Geldbuße von bis zu 30000,–€ rechnen müsste. Endlich konnten wir – zweieinhalb Monate verspätet – mit der Ausbildung beginnen. Den Härtefallantrag zogen wir zurück.
…vom Landkreis in die Stadt Hannover umziehen…
Mit beginnender Coronapandemie hielten wir es für ratsam, dass Asim aus dem Flüchtlingswohnheim in eine kleine eigene Wohnung zieht, um auch die Umgebung für eine ordentliche Ausbildung zu bekommen. Der Umzug gestaltete sich jedoch schwierig:
Zunächst gab es Problenme bei der Wohnungssuche: Den meisten Vermietern waren die Haare zu „dunkel“ oder der „kryptische“Name von Asim zu ungewöhnlich. Der Name Asim war schon allein genommen für viele Vermieter ein Ausschlusskriterium für ein Mietverhältnis. Ich habe ihn dann bei der Suche für eine Wohnung unterstützt und konnte die ganze Bandbreite der Vorurteile und Ressentiments mal erfahren… es war zum Fremdschämen. Zum Glück waren nicht alle so. Die Vonovia in Hannover war nach meiner Vermittlung bereit, zum 01.02.2020 ein Mietverhältnis mit Asim einzugehen.
Wir stellten dann am 31.01.2020 bei der Region Hannover den Antrag auf Änderung des Wohnsitzes von der Region in die Stadt Hannover. Der Antrag wurde zunächst ohne weitere schriftliche Begründung abgelehnt. Es folgte meinerseits ein Anruf bei der zuständigen Behörde mit Hinweis auf die Vorgeschichte und die von mir veranlasste mediale Untermalung, zudem bemühten wir erneut den Flüchtlingsrat, der uns bei der Vermittlung maßgeblich unterstützte.
Dem Antrag auf Änderung des Wohnsitz wurde dann doch zugestimmt, und Asim konnte im März 2020 seine Wohnung beziehen. (Im Normalfall wäre die Wohnung längst an andere Bewerber vergeben worden)
…Erfolgreiche Ausbildung mit anschließendem Arbeitsvertrag…
Asim hat in der auf 2 ¾ Jahre unfreiwillig verkürzten Lehrzeit eine gute und sehr engagierte Ausbildung zum 30.Juli 2022 absolviert und mit dem Gesellenbrief als Tischler abgeschlossen. Erfolgreich hat er nebenbei noch die Sprachkursforderung mit dem B2 Kurs abgeschlossen. Er hat sich an alle Auflagen der Behörden gehalten.
Ich habe ihm im Juli 2022 einen Arbeitsvertrag angeboten, der ihm die Möglichkeit gibt, sich auch sprachlich weiter zu entwickeln, indem er nur vier Tage im Betrieb arbeitet und den fünften Tag für seine Fortbildung nutzt. Passfragen und formale Auflagen stellen auch weiterhin eine Herausforderung dar. Ich bin jedoch guten Mutes: Der Kampf hat sich gelohnt.
Ein großes Lob
für die unermüdliche Ausdauer, welche letztendlich – trotz aller Hürden – zum Erfolg führte.
Herzlichen Glückwunsch.