Wie die Zeit vom 02. April berichtet, gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, für Geflüchtete aus der Ukraine Hartz 4 – Leistungen einzuführen. Zu den Unterstützer:innen der Forderung gehört auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die diese Linie beim Bund-Länder-Gipfel am Donnerstag durchsetzen will. Die Begründung, für Kriegsflüchtlinge seien die Jobcenter bessere Ansprechpartner als die Sozialämter, ist so berechtigt wie die Diskussion darüber fragwürdig:
Natürlich ist es unsinnig, Menschen aus dem System des Sozialgesetzbuches 2 herauszudefinieren, die in Deutschland einen Aufenthaltsstatus besitzen. Dazu gehören aber nicht nur ukrainische Kriegsflüchtlinge mit einem Aufenthaltsstatus nach §24 AufenthG, sondern z.B. auch Menschen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach §25.5 AufenthG besitzen, weil sie aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Sie sind ebenso dem Asylbewerberleistungsgesetz unterworfen wie Tausende Geflüchtete aus Kriegs- und Krisenländern wie Afghanistan, Syrien, Irak oder Somalia, die oft über viele Jahre in Deutschland geduldet werden, ohne ein Aufenthaltsrecht zu erhalten.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht vor zehn Jahren in seiner aufsehenerregenden Entscheidung vom 18.07.2012 festgestellt, dass die bis dato gewährten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz „evident unzureichend“ waren, faktisch hat das Asylbewerberleistungsgesetz aber weiterhin den Charakter eines Leistungsrechts zweiter Klasse. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts musste die Höhe der Leistungen nach dem AsylbLG zwar an die Höhe der Hartz 4 – Leistungen angepasst werden, anschließend suchte die Politik aber doch wieder nach Wegen, an der einen oder anderen Stelle zu kürzen, etwa mit dem Konstrukt angeblicher Einsparungen in Gemeinschaftsunterkünften durch „gemeinsames Kochen“. An der grundsätzlichen Beschränkung der Gesundheitsleistungen in den ersten 18 Monaten des Aufenthalts wurde weiterhin festgehalten. Auch im Bereich der Leistungen zur Arbeitsmarktintegration gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Fördermaßnahmen für Kund:innen der JobCenter und den Leistungen, die für dem Asylbewerberleistungsgesetz Unterworfene von den Arbeitsagenturen erhalten.
Die Perfidie des Systems liegt darin, dass Geflüchtete mit anwaltlicher Unterstützung oftmals Leistungen zur Krankenversorgung oder in besonderen Lebenslagen in ähnlicher Höhe durchsetzen können wie für HARTZ 4 – Empfänger:innen, im Regelfall aber gravierende Leistungseinschränkungen hinnehmen müssen, wenn sie sich nicht gerichtlich dagegen wehren. Claire Deery, Vorsitzende des Flüchtlingsrats, weist auf den eigentlichen Kern des Problems hin: „Das Asylbewerberleistungsgesetz ist eine repressive und einschränkende Norm.“ Vielen Politiker:innen scheint das erst jetzt aufzufallen, wo diese Norm auf Ukrainerinnen und Ukrainer angewandt wird. Statt zu begründen, warum und worin Geflüchtete aus der Ukraine sich von Geflüchteten aus anderen Herkunftsländern unterscheiden, sollten wir die Gemeinsamkeiten betonen. Wir wollen eine menschenwürdige Behandlung aller Geflüchteten. Das Asylbewerberleistungsgesetz, 1993 geschaffen als Ausgrenzungs- und Abschreckungsinstrument, muss endlich abgeschafft werden.
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