Afghanistan: Flüchtlingsrat kritisiert neuen Erlass des Innenministeriums zur Passbeschaffung

Mit Erlass vom 14. September 2021 gab das niedersächsische Innenministerium den Ausländerbehörden bekannt, „dass für identifizierte afghanische Staatsangehörige gegenwärtig aufgrund der vorübergehenden Schließung der afghanischen Botschaft von einer temporären Unmöglichkeit der Passbeschaffung ausgegangen werden kann.“ Zudem teilte das Innenministerium in einem Schreiben an den Flüchtlingsrat mit, dass eine Passausstellung nach Auskunft der afghanischen Botschaft nicht erfolgen kann.

Mit Erlass vom 26. Januar 2022 hat das Innenministerium den Erlass vom 14. September 2021 nunmehr (teilweise) aufgehoben. Nach Auffassung des Innenministeriums können sich afghanische Staatsangehörige grundsätzlich wieder an die Auslandsvertretungen wenden, um einen Pass zu beantragen.

Nach Ansicht des Flüchtlingsrats Niedersachsen ist es äußerst zweifelhaft, ob dies tatsächlich so ist. Dem Flüchtlingsrat liegen mehrere Schreiben der afghanischen Auslandsvertretungen in Deutschland aus dem Januar 2022 vor, laut denen die Ausstellung eines Passes derzeit nicht möglich ist. Auf Nachfrage bei den afghanischen Botschaften in Bonn und Berlin teilten beide Anfang Februar 2022 per Mail mit, dass aufgrund der instabilen Lage in Afghanistan alle offiziellen Verfahren eingestellt seien. Mit anderen Worten: Auch Reisepässe können derzeit nicht ausgestellt werden.

Auch das niedersächsische Innenministerium verfügt anscheinend nicht über anderweitige Erkenntnisse. Das Ministerium begründet den Erlass vom 26 Januar damit, dass „diverse Fälle“ bekannt geworden seinen, „in denen afghanische Reisepässe über die afghanischen Auslandsvertretungen in der Bundesrepublik Deutschland beschafft werden konnten.“ Eine Mitteilung der afghanischen Botschaft, wonach die Ausstellung von Pässen wieder möglich sei, liegt demnach auch dem Ministerium wohl nicht vor.

Hinzu kommt, dass laut Bundesbehörden „einige echte afghanische Pässe unwahren Inhalts […] im Umlauf sind“, weshalb auch das niedersächsische Innenministerium die Ausländerbehörden „bei der Vorlage afghanischer Pässe um besonders sorgfältige Prüfung im Hinblick auf die Stimmigkeit der in den Dokumenten gemachten Angaben“ bittet. Dies zeigt aus Sicht des Flüchtlingsrats, dass es weiterhin völlig unklar ist, durch wen und für wen unter welchen Voraussetzungen afghanische Nationalpässe ausgestellt werden.

Doch auch unabhängig hiervon sollte unserer Auffassung nach bei afghanischen Staatsangehörigen gänzlich von der Mitwirkungspflicht zur Passbeschaffung abgesehen und ihnen ein Reiseausweis für Ausländer:innen ausgestellt werden – ganz gleich, welchen aufenthaltsrechtlichen Status sie haben – wie dies in Niedersachsen auch bei Syrer:innen lange Zeit der Fall war.

Afghan:innen ist es nicht zumutbar, bei afghanischen Botschaften oder Konsulaten vorzusprechen, um Dokumente zu beantragen. Selbst wenn Afghan:innen eine Verfolgung durch die Taliban in ihrem Asylverfahren belegen konnten, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge es häufig ab, sie als Flüchtlinge anzuerkennen, da es in Afghanistan zumindest ein paar Städte gebe, in denen der Staat sie vor den Islamisten schützen könne (sog. inländische Fluchtalternative). Nunmehr haben die Taliban jedoch sämtliche staatlichen Institutionen unter ihre Kontrolle gebracht.

Zudem stellt nach dem Fanatismus der Taliban bereits die Ausreise nach Europa und der damit zugeschriebene „westliche Lebensstil“ einen Verrat dar, der bestraft gehört. Deshalb drohen sowohl Afghan:innen in Deutschland als auch ihren Angehörigen in Afghanistan unabsehbare Repressionen, wenn sie sich an das Konsulat oder die Botschaft wenden.

Darüber hinaus sollte unserer Auffassung nach unbedingt vermieden werden, dass die Gebühren, die afghanische Staatsangehörige für die Ausstellung und Verlängerung eines Reisepasses oder anderer Dokumente zahlen müssen, unmittelbar in die Kassen der Taliban fließen und ihr Terroregime mitfinanzieren.

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