Am Abend des 3. Oktober des letzten Jahre wurde der sudanesische Geflüchtete Kamal Ibrahim durch Schüsse aus der Waffe eines Polizisten bei einem Einsatz in einer Unterkunft für Geflüchtete Harsefeld im Landkreis Stade getötet. Die Polizei war zuvor durch die Mitbewohner gerufen worden, weil Kamal Ibrahim sich in einer psychischen Ausnahmesituation befand und sie sich durch ihn bedroht fühlten.
Mitglieder einer Bürgerinitiative, die sich im Landkreis Stade für Menschenrechte einsetzt, haben nun Strafanzeige gegen die Polizei, die Kommune Harsefeld sowie den Landkreis Stade erstattet.
Sie verlangen von der Staatsanwaltschaft Stade, gegen die eingesetzten Polizeibeamt:innen und ihre Vorgesetzten wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung mit Todesfolge und unterlassener Hilfeleistung zu ermitteln. Den Verantwortlichen der Kommune Harsefeld werfen die Anzeigenerstatter:innen vor, nicht auf die Hilfebedürftigkeit von Kamal Ibrahim reagiert zu haben, obwohl sie mehrfach von seinen Mitbewohner auf diese hingewiesen wurden. Auch das Verhalten bzw. Unterlassen der Mitarbeiter:innen des Landkreises Stade, die ebenfalls von der schlechten psychischen Verfassung Kamal Ibrahims wussten, soll auf eine Strafbarkeit untersucht werden.
Die Mitglieder der Bürgerinitiative, die seit längerem Geflüchtete im Landkreis unterstützen und daher auch Kontakt zu Bewohnern der Unterkunft in Harsefeld haben, wollen mit der Anzeige eine umfängliche Aufklärung des tödlichen Einsatzes und aller weiteren Umstände, die zu dem tragischen Tod von Kamal Ibrahim geführt haben, anstoßen.
Sigmar Walbrecht, Referent beim Flüchtlingsrat Niedersachsen:
„Wir begrüßen, dass die engagierten Bürger:innen aus dem Landkreis Stade alle rechtlichen Mittel nutzen, um eine lückenlose Aufklärung des tödlichen Polizeieinsatzes gegen Kamal Ibrahim herbeizuführen. Wir mussten leider auch im Fall des desaströsen Polizeieinsatzes am 17. August 2019 in Stade-Bützfleth, bei dem der 19-jährige Aman Alizada durch einen Polizisten erschossen wurde, feststellen, dass es seitens der Staatsanwaltschaft Stade keinerlei Aufklärungsinteresse gab. Das muss im Fall von Kamal Ibrahim anders laufen. Es darf nicht sein, dass es am Ende Tote gibt, wenn Geflüchtete die Polizei rufen, weil sich ein Mensch in einer psychischen Krise befindet.“
Nach Ansicht des Flüchtlingsrates ist für eine lückenlose Aufklärung solcher Polizeieinsätze die Einrichtung einer unabhängigen Stelle, die staatsanwaltliche Ermittlungsbefugnisse hat, notwendig.
Kontakt
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Sigmar Walbrecht
Tel. 0511 – 84 87 99 73
Email: sw@nds-fluerat.org
Hintergrund
Tod von Kamal Ibrahim: Forderung nach vollständiger Aufklärung, Beitrag vom 25. Oktober 2021
Tod von Kamal I. nach Polizeieinsatz – viele Fragen offen, Beitrag vom 11. Oktober 2021
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