Eckpunkte einer gesetzlichen Regelung für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht gut integrierter Kinder und Jugendlicher
Bisher nur geduldete ausländische Kinder und Jugendliche sollen ein eigenes Aufenthaltsrecht bekommen, das nur versagt werden darf, wenn bestimmte, gesetzlich festzulegende Integrationsvoraussetzungen fehlen. Das Schicksal dieses Personenkreises ist bisher nicht gesondert berücksichtigt worden, weil er grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal der Eltern teilt. Das gilt bislang auch dann, wenn die minderjährigen Kinder/Jugendlichen selbst gut integriert und im Bundesgebiet verwurzelt sind, Deutsch sprechen und keinerlei Beziehungen zum Herkunftsland der Eltern haben.
Die integrierten minderjährigen Kinder und Jugendlichen sollen, wenn sie entsprechend im Bundesgebiet „verwurzelt“ sind, eine dauerhafte Aufenthaltsperspektive ohne Stichtag unabhängig davon erhalten, ob ihre Eltern sich täuschend verhalten oder die Altfallregelung genutzt haben.
I. Sofortiger Abschiebestopp
Minderjährige ausländische Kinder und Jugendliche und ihr Familienangehörigen sollen bis zum Inkrafttreten einer dauerhaften Regelung ab sofort nicht mehr abgeschoben werden.
II. Dauerhafte gesetzliche Regelung eines eigenen Aufenthaltsrechts für Kinder und Jugendliche
Gut integrierte ausländische Kinder und Jugendliche brauchen rasch Rechtssicherheit durch ein eigenes Aufenthaltsrecht unabhängig vom aufenthaltrechtlichen Status der Eltern. Die Regelung muss im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses so gefasst sein, dass Minderjährige grundsätzlich ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten.
Eckpunkte eine Regelung:
Regel: Eigenständiges Aufenthaltsrecht des ausländischen Minderjährigen unabhängig vom Aufenthaltsrecht der Eltern.
Ausnahme von der Regel: Das eigenständige Aufenthaltsrecht kann ausnahmsweise versagt werden, wenn der Minderjährige folgende Voraussetzungen nicht erfüllt:
- Kurze Mindestaufenthaltsdauer von zwei bis max. drei Jahren mit Flexibilität für den Einzelfall. Maßstab muss immer der Grad der Integration sein.
- Beherrschung der deutschen Sprache.
- Einfügung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der bisherigen Schulausbildung und Lebensführung und Gewährleistung der Einfügung auch in Zukunft.
Abzulehnen sind folgende Kriterien:
- Altersgrenze: Ein in Deutschland geborenes oder aufgewachsenes Kind kann bereits mit 11 oder 12 Jahren oder noch früher genauso gut integriert sein wie 14- oder 15-jährige Jugendliche. Eine unterschiedliche Behandlung anhand starrer Altersgrenzen ist nicht begründbar und kann in der Praxis zu unzumutbaren Härten führen (Abschiebung eines 13-jährigen, nicht aber des 14 Jahre alten Klassenkameraden ausländischer Herkunft, obwohl beide gleichermaßen integriert sind). Für die Festschreibung des Lebensalters ist kein triftiger Grund erkennbar.
- Mindestschulbesuchsdauer: Wenn ein Kind bereits in der vierten Grundschulklasse gute Leistungen bringt und evtl. sogar die Voraussetzungen für eine weiterführende Schule erfüllt, ist kein Grund ersichtlich, trotz guter Integration und Beherrschen der deutschen Sprache das Kind in ein ihm fremdes Land abzuschieben. Die Dauer des Schulbesuches ist kein geeigneter Maßstab für eine gelungene Integration – die Festlegung einer Mindestdauer würde nur zu unbilligen Härten in der Praxis führen.
- Dagegen ist ein hier anerkannter oder absolvierter Schulabschluss ein starkes Indiz für eine ausreichende Integration, die von der Behörde in besonderem Maße berücksichtigt werden muss.
III. Folgefragen
- Auch die Familienangehörigen der aufenthaltsberechtigen Kinder und die Minderjährigen brauchen Rechtsicherheit mit Blick auf den aufenthaltsrechtlichen Status von Eltern und Geschwistern.
- Der Schutz der Familie und das Wohl des Kindes erfordern ein vom Aufenthaltsrecht des Kindes abgeleitetes Aufenthaltsrecht von Familienangehörigen jedenfalls bis zu Volljährigkeit des gut integrierten Kindes.
- Darin besteht auch eine große Chance für eine bessere Integration der Familienangehörigen selbst: Die Verwurzelung des Kindes in der Gesellschaft, vor allem in der Schule, kann positiv auf die weitere Integration der Eltern und Geschwister ausstrahlen, etwa durch Einbindung der Eltern in schulische Aktivitäten.
- Nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes darf der Aufenthalt von Eltern und Geschwister nicht ohne Weiteres wieder zu Disposition stehen. Den bisherigenAufenthaltsstatus und das eigenständige Aufenthaltsrecht des dann volljährigenKindes sollen die Behörde bei der Prüfung des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen besonders berücksichtigen müssen.
IV. Umsetzung
Eine gesetzliche Regelung könnte kurzfristig in den Gesetzentwurf zur Zwangsheirat eingestellt werden, der dem Deutschen Bundestag zur Beratung vorliegt.