Nachfolgend ein Bericht aus der Frankfurter Rundschau vom 18.11.2010 über die Rückholung eines abgeschobenen armenischen Flüchtlings aus Armenien nach Eschwege. Was in Hessen möglich ist, wird in Niedersachsen noch lange nicht praktiziert: Die Petition eines engagierten Unterstützerkreises für die im Jahr 2007 aus dem Landkreis Soltau-Fallingbostel abgeschobenen armenischen Brüder Atavov wurde jüngst im Petitionsausschuss nach „Sach- und Rechtslage“ abgelehnt.
gez. Kai Weber
Abschiebung
Nach Deutschland zurückgeholt
Der Spitzenschüler Jamal Sadkhyan wurde abgeschoben, durfte aber nach dem beherzten Einsatz von Schule und Freunden wieder einreisen.
Wenn die Innenminister dieser Tage über ein mögliches Bleiberecht für gut integrierte Minderjährige diskutieren, dann müssten sie eigentlich Jugendliche wie Jamal Sadkhyan vor Augen haben. Der Zehntklässler aus dem hessischen Eschwege ist Einserschüler, gibt ehrenamtlich Hausaufgabenhilfe und leitet eine Mädchen-Fußball-AG. Die Hertie-Stiftung nahm den Jahrgangsbesten der Anne-Frank-Schule im September 2009 in ihr Start-Stipendien-Programm für Schüler mit Migrationshintergrund auf. Hessens Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP) nannte ihn und andere Stipendiaten damals „eine Bereicherung für die Gesellschaft“, auf die Deutschland nicht verzichten könne.
Doch Deutschland konnte sehr wohl – denn Jamal war nur geduldet. Im Dezember 2009 wurde der heute 18-Jährige mit seinem Vater nach Armenien abgeschoben. Hätte die Innenministerkonferenz schon damals darüber diskutiert, gut integrierte Jugendliche vor der Abschiebung zu bewahren, dann wären Jamal vielleicht acht Monate in einem Wohncontainer am Rande von Eriwan erspart geblieben, die er selbst rückblickend als „schlimme Zeit“ bezeichnet. Eine Zeit ohne Schulbesuch.
Es ist aber keiner Gesetzesänderung, sondern dem Einsatz der Zivilgesellschaft zu verdanken, dass Jamal heute wieder in Eschwege zur Schule geht. Jamals Freunde und sein Schulleiter engagierten sich für ihn, der Landrat des Werra-Meißner-Kreises erwirkte schließlich beim Innenministerium die Wiedereinreise Jamals im August 2010. Jamal wiederholt nun die zehnte Klasse.
In diesem Sinne sei „wieder Normalität eingekehrt“, sagt Jamals Schulleiter Edgar Ingrisch. Zumindest bis zum Abitur: Denn Jamals Bleiberecht ist auf die Zeit seines Schulbesuchs befristet. Die diskutierte Bleiberechts-Änderung wäre für den mittlerweile Volljährigen heute nicht mehr von Belang.
Wohl aber für seinen jüngeren Bruder Alik, dessen kürzlich ausgestellte Aufenthaltserlaubnis auf zwei Jahre befristet ist. Auch er ist ein „Ausnahmeschüler“.