Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert großzügiges Bleiberecht statt Selektion nach Nützlichkeitskriterien
Aufruf zur bundesweiten Demonstration /“I love Bleiberecht“/ am heutigen Mittwoch in Hamburg
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen begrüßt den Vorstoß der Bundesländer Niedersachsen und Hamburg für eine gesetzliche Bleiberechtsregelung zugunsten geduldeter Flüchtlinge. Die im Vorfeld vom niedersächsischen Innenminister geäußerten Voraussetzungen sind jedoch inakzeptabel:
- Nicht nachvollziehbar ist, warum erst nach mindestens 8 jährigem Aufenthalt in Deutschland ein Bleiberecht erteilt werden soll. Bisherige Bleiberechtsregelungen setzten für Familien eine Frist von nicht mehr als sechs Jahren für Familien fest.
- Nicht akzeptabel ist die Bedingung eines erfolgreichen Schulbesuchs der Kinder: Das Scheitern mancher Flüchtlings- und Migrantenkinder im deutschen Schulsystem verweist eher auf die mangelnde Förderung dieser Kinder, die oft vorschnell in die Sonderschulen abgeschoben werden. Im Übrigen sind auch Kinder in die deutschen Lebensverhältnisse integriert, die hier eine Sonderschule besuchen.
- Kritikwürdig erscheint die mangelhafte Einbeziehung der Eltern in die Bleiberechtsregelung: Auch für sie muss es eine klare und bedingungslose Einbeziehung in eine Bleiberechtsregelung geben, die die gesamte Familie umfasst. Selbst wenn die Älteren keine Arbeit haben, erfüllen sie – wie in deutschen Familien auch – oft eine wichtige Funktion, etwa im Rahmen der Kleinkinderbetreuung zur Ermöglichung einer Berufstätigkeit ihrer inzwischen volljährigen Kinder.
- Wir halten es für unverantwortlich und mit dem Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar, wenn die langjährig Geduldeten in „nützliche Steuerzahler“ und „unproduktive Esser“ selektiert werden. Gerade auch Kranke und Alte, Kriegsopfer und Behinderte müssen ein Bleiberecht erhalten können, selbst wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Erwerbstätigkeit decken können.
- Auch Einzelpersonen und Paare ohne Kinder müssen ein Bleiberecht erhalten können, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben.
Derzeit warten bundesweit 86.000 aufenthaltsrechtlich „Geduldete“ auf eine dauerhafte Bleiberechtsregelung, in Niedersachsen sind es rund 12.500 Menschen. Die Zahl ist in Niedersachsen auch deshalb überdurchschnittlich hoch, weil den Ausländerbehörden – anders als z.B. in Bremen – nicht die Möglichkeit eingeräumt wird, aufgrund der Unzumutbarkeit einer Rückkehr ins Herkunftsland im Einzelfall eine humanitäre Entscheidung zu treffen.
Anlässlich der IMK rufen „Jugendliche ohne Grenzen“ (JOG) und die Flüchtlingsräte aller Bundesländer unter dem Motto /“I love Bleiberecht“/ zu einer bundesweiten Demonstration am 17. November in Hamburg auf (Auftaktkundgebung um 17.30 h am Hachmannplatz/Hamburger Hbf).
Im Rahmen einer JOG-Konferenz, die parallel zur IMK in Hamburg stattfindet und an der auch junge Flüchtlinge aus Niedersachsen teilnehmen, wird ein Gala-Abend mit Wahl des /Abschiebeministers des Jahres/ und der Verleihung des /Initiativenpreis/ 2010 sowie der Hamburg-Premiere des Theaterstücks /“SOS for human rights!“ /(GRIPS Theater Berlin) stattfinden.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen ruft zur Beteiligung an der Demonstration auf unterstützt die Forderungen:
- Bedingungsloses Bleiberecht für alle!
- Abschaffung aller ausgrenzenden Gesetze und Regelungen, wie z.B. Residenzpflicht, Asylbewerberleistungsgesetz und Lagerunterbringung!
- Legalisierung von Menschen ohne Papiere (den sog. Illegalen)!
- Chancengleichheit v.a. beim Bildungsrecht und Arbeitsrecht!
- Abschaffung der Abschiebehaft!
- Das Recht der Abgeschobenen in ihre Heimat Deutschland zurückzukehren!
gez. Kai Weber, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Pressekonferenz: PRO ASYL, JOG, Hamburger Flüchtlingsrat und Bundesverband Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge laden ein zur PK am Donnerstag, 18.11.10, um 11.00 Uhr, in der Jugendherberge Hamburg, Alfred Wegener-Weg 5, 20459 Hamburg.