Offener Brief: Wohnraum im Wendland

Die Frage des Wohnens von Geflüchteten ist eine der zentralen Herausforderungen von Land und Kommunen. Gemeinschaftsunterkünfte erschweren das Ankommen und die Teilhabe der Geflüchteten nachhaltig und sind strukturell gewaltfördernd (siehe auch hier). Immer wieder mahnen wir gemeinsam mit  vielen weiteren Organisationen an, das selbstbestimmte Leben in der eigenen Wohnung flächendeckend zu ermöglichen. Daran anknüpfend dokumentieren wir nachfolgend den Offenen Brief „Wohnraum im Wendland“ des Netzwerks Solidarische Provinz Wendland/Altmark an Entscheidungsträger:innen aus Politik und Verwaltung sowie an die regionale Öffentlickeit zur Situation in Lüchow-Dannenberg.

Offener Brief: Wohnraum im Wendland

Lüchow, 15.11.2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir als Soldidarische Provinz Wendland / Altmark möchten zu den Überlegungen Stellung beziehen, auf kirchlichem Grund am Dannenberger Develangring Module als Wohnraum für Geflüchtete aufzustellen.

Wir freuen uns mit den geflüchteten Menschen, die nun neu nach Lüchow-Dannenberg kommen. Viele sind erleichtert, die großen Erstaufnahmeeinrichtungen verlassen zu können und nach zum Teil langer Zeit in Camps an den EU-Außengrenzen endlich menschenwürdig wohnen zu können: In Wohnungen oder Häusern, wie es die länger Ortsansässigen auch tun.
Leider ist Wohnraum in diesem Landkreis offenbar Mangelware. Sozialen Wohnungsbau in den Blick zu nehmen, stand auch hier im ländlichen Raum lange nicht auf der Agenda der Entscheidungsträger*innen. Doch es gibt viele freistehende Mietwohnungen und Häuser im Landkreis – es fehlen aber die passenden Stellschrauben, um diesen Wohnungsmarkt zu erschließen. Wir denken: Jetzt braucht es Maßnahmen, die umfassender sind als ein paar Container. Jobcenter und Sozialamt müssen Kautionen für passende Wohnungen grundsätzlich vollständig übernehmen und der Mietspiegel muss dringend überarbeitet werden und den realen Preisverhältnissen angepasst werden: Selbst die Mieten der Wohnungsbaugenossenschaften liegen mittlerweile über dem hiesigen Mietspiegel mit dem die Ämter immer noch operieren. Menschen, die Sozialleistungen beziehen oder ein geringes Einkommen haben, haben
dadurch auf dem derzeitigen Wohnungsmarkt keine Chance.

Erfreulicherweise haben sich auf die zuletzt geschalteten Anzeigen des Landkreises vom September 2021 einige Vermieter*innen gemeldet, die Wohnraum an das Sozialamt vermieten werden. Das ist ein guter Schritt, der aber erwartbar nicht ausreichen wird. Daher muss das Thema »Wohnraum für alle« mit Dringlichkeit auf die Tagesordnung der entsprechenden Gremien.

SAMMELUNTERKÜNFTE SIND KEINE LÖSUNG

Eine gesammelte Unterbringung von Geflüchteten hat viele Nachteile, das ist über viele Jahre und viele traurige Erfahrungen in vielen Städten und Kommunen zur Genüge unter Beweis gestellt worden. Für die physische und psychische Gesundheit ist das Leben in Containern oder Massenunterkünften sehr ungünstig. Auch eine wieder verstärkte pandemische Lage spricht deutlich gegen enge Wohnkonzepte. Zudem sind vor allem Frauen und Kinder den Gefahren sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Die entwürdigende Sonderbehandlung von Geflüchteten in Sammelunterkünften ist nur eine weitere Stufe der Herabsetzung.
Auch im Landkreis sprechen eigene Erfahrungen gegen Sammelunterkünfte: Die Erfahrungen, die 2016 mit der Flüchtlingsunterkunft Wittfeitzen gemacht wurden, sind ein unangenehmes Kapitel. Ökonomisch war diese nicht günstigund hat für die Wohnsituation von Geflüchteten und ärmeren Menschen im Landkreis keine positiven strukturellen Entwicklungen eingeleitet.

Stattdessen wurden die Probleme zentraler Unterbringung in Lagern offensichtlich, zumal es kein geeignetes Schutzkonzept gab: Es wurde eine junge Frau vergewaltigt. Verurteilt wurden zwei der Bewohner der Unterkunft.
Zur Genüge hat die bundesdeutsche Öffentlichkeit auch zur Kenntnis genommen, dass es in Sammelunterkünften immer wieder auch zu rassistischer Gewalt kommt. Zuletzt wurde am 03.10.2021 Kamal Ibrahim in einer Sammelunterkunft in Harsefeld bei Stade von der Polizei erschossen. Er war psychisch sehr auffällig, ihm wurde aber keine Hilfe zuteil. Der genaue Tathergang ist noch nicht vollständig geklärt.

GEFLÜCHTETE BRAUCHEN VERNÜNFTIGEN WOHNRAUM

Für eine ernst gemeinte Aufnahme und Einbeziehung von Geflüchteten in diesen Landkreis ist eine Sammelunterkunft – ob in Containern oder Häusern – nicht geeignet! Auch nicht bei einer Umbenennung in Destinature-Hütten, tiny-houses oder Container-Dorf! Eine vernünftige Entwicklung des Wohnungsmarktes hätte aber nicht nur für Geflüchtete eine dramatische Verbesserung der Lebensumstände zur Folge, es würde nachhaltig auch das Recht auf Wohnraum in diesem Landkreis für alle Menschen zum besseren kehren.

Solidarische Provinz Wendland/Altmark

Der Offene Brief als PDF und hier auf der Homepage von ZuFlucht Wendland.

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