Bundesregierung redet die Lage in Afghanistan schön

Das Auswärtige Amt hat einen neuen Lagebericht veröffentlicht (VS, Stand Mai 2021), der von Thomas Ruttig, dem Mitbegründer und Ko-Direktor des unabhängigen Think Tanks Afghanistan Analysts Network Kabul/Berlin, in der heutigen Ausgabe der „Tageszeitung“ scharf kritisiert wird:

Zur Gesamtlage verwende der Lagebericht des Auswärtigen Amts beschönigende Textbausteine aus Vorgängerberichten. Die jüngsten Geländegewinne der Taliban würden unterschlagen, kritische Berichte nicht zur Kenntnis genommen. Die Behörde schreibe verharmlosend von „starken regionalen Unterschiede“ und nehme nicht zur Kenntnis, dass nur wenige, meist periphere Regionen von der Taliban-Offensive und den damit verbundenen Kämpfen verschont geblieben seien..

Nach Finnland und Schweden hat mittlerweile auch Norwegen Abschiebungen nach Afghanistan bis auf Weiteres gestoppt. Die drei skandinavischen Länder entsprechen damit einem Wunsch der afghanischen Regierung. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums hatte Mitte Juli dagegen erklärt: „Wir führen Rückführungen nach Afghanistan bisher in Zusammenarbeit mit den Behörden des Landes durch. Wir planen jetzt nicht, davon abzuweichen.“

Auch das sog. Ortskräfteprogramm wird vom Bundesinnenministerium hintertrieben wo es nur geht. Einer Antwort des BMI auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag war zu entnehmen, dass volljährig gewordene Kinder – anders, als dies laut IMK-Beschluss vereinbart war – nur „in besonders begründeten Ausnahmefällen“ und keinesfalls regelmäßig in das Programm einbezogen werden sollen. Für die Information, Aufklärung, Orientierung und Begleitung der gefährdeten Ortskräfte und ihrer Angehörigen fühlt sich das BMI unzuständig und lässt die Betroffenen allein. Appelle an die Kanzlerin, zu intervenieren, haben inzwischen gefruchtet: Merkel laut dpa vom 22.07.2021:
„Unser Ziel ist, dass diejenigen, die für Deutschland gearbeitet haben ab 2013, dass die auch die Möglichkeit bekommen, wenn sie das wünschen, nach Deutschland zu kommen, um eben genau nicht bedroht zu werden», sagte Merkel wörtlich zu der Debatte um Mitarbeiter von Bundeswehr und Polizei. Darüber sei am Vortag auch im Kabinett gesprochen worden. «Ich setze mich sehr dafür ein, dass wir pragmatische Lösungen finden, soweit es in unserer Hand liegt, und das heißt eben auch, dass der Flug nicht daran scheitern darf, dass man das Geld nicht hat. Darum werden wir uns kümmern. Und das heißt gegebenenfalls auch, über Charterflugzeuge nachzudenken.“
siehe zum Thema auch die News von PRO ASYL vom 27.07.2021
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