Abschiebestopp sofort! Für ein dauerhaftes Bleiberecht!
Bericht zur Situation abgeschobener Roma
mit Bastian Wrede (Romaprojekt Flüchtlingsrat Niedersachsen)
Anschließend Diskussion mit Vertretern vom Flüchtlingsrat Bremen und Kristina Vogt (DIE LINKE.Bremen)
am 6.10.2010 • 19 Uhr im Bürgerhaus Vegesack
Hunderte Roma flohen vor dem Krieg in Ex-Jugoslawien nach Bremen. Derzeit leben in Bremen 349 Roma. Unter ihnen sind viele hier geborene Kinder, die den Kosovo nie gesehen haben. Die Bremer Ausländerbehörde will 25 von ihnen jährlich in den Kosovo zurückführen. Zunächst sollen allein stehende Erwachsene und Familien mit volljährigen Kindern abgeschoben werden. Aber auch Familien mit minderjährigen Kindern sind einem massiven Druck ausgesetzt. Sie werden unter Fristsetzung zur „freiwilligen Ausreise“ aufgefordert. Das führt nicht nur unter den betroffenen Familien zu einer großen Verunsicherung und Angst, für viele werden auch die grauenhaften Erlebnisse während der Vertreibungen wieder präsent. Das gesamte Umfeld leidet unter dem Vorgehen der Ausländerbehörde: MitschülerInnen sind besorgt und verstehen nicht, wieso ihre Freunde weg sollen. In den Wohngebieten geht die Angst um, wen es als nächstens treffen könnte. Geht es nach dem Willen der Ausländerbehörde sollen auch schwerkranke, ältere Menschen ausreisen, während ihre Kinder und Enkelkinder noch hier bleiben können. Dass sie im Kosovo nicht medizinisch versorgt werden und dort ohne jegliche familiäre Unterstützung faktisch nicht leben können, ist der Behörde offensichtlich egal.
Ein neuer Erlass des Bremer Innensenators regelt die Details der geplanten Rückführungen. In diesem Erlass ist die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen für Roma nach wie vor nicht vorgesehen. In den vergangenen Wochen bestätigte die SPD-Bürgerschaftsfraktion ihre Haltung: sie hat sich nicht einmal zu einem vorläufigen Abschiebestopp für Roma durchringen können. Eine dauerhafte Bleiberechtslösung sei nach Auffassung des Bremer Innensenators nicht durchsetzbar, da es auf der Innenministerkonferenz der Bundesländer keine Mehrheiten dafür gäbe. Dabei könnte das Bundesland Bremen nicht nur auf die anderen SPD-regierten Bundesländer einwirken, es könnte – unabhängig von einer bundesweiten Regelung – bereits jetzt seine Ermessenspielräume ausüben. SPD und Grüne hatten in ihrem Koalitionsvertrag vor dreieinhalb Jahren ausdrücklich vereinbart, Flüchtlinge aus den Kettenduldungen herauszuholen und das Ermessen zu Gunsten der Betroffenen auszuüben. Für die Betroffenen hat sich nicht viel geändert. Ob die Bürgerschaft sich für eine dauerhaften Bleiberechtsregelung einsetzt, ist derzeit offen.
Roma, die in den Kosovo abgeschoben werden, leben dort im absoluten Elend.
Einer aktuellen Studie von UNICEF zufolge haben die 5000 aus Deutschland abgeschobenen Roma-Kinder kaum Chancen auf Schulbildung oder medizinische Versorgung. Die Abgeschobenen sind überwiegend arbeitslos und leben in Slums, zuweilen sogar auf ehemaligen Müllkippen. Abgeschobene Roma-Familien sind zudem massiven rassistischen und antiziganen Übergriffen der albanischen Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt. Oft fliehen diese Familien aus dem Kosovo nach Mazedonien oder Serbien, also in Länder wo sie als Illegalisierte von jeglicher Versorgung ausgeschlossen sind und vom Straßenmüll leben. Sogar der UNHCR und der Hohe Flüchtlingskommissar der EU appellieren an die Bundesregierung, von Abschiebungen in den Kosovo abzusehen.
Bastian Wrede vom Flüchtlingsrat Niedersachsen hat im Frühjahr 2010 abgeschobene Familien in Serbien besucht. Er wird auf der Veranstaltung von ihrer unsäglichen Situation berichten und auch Fotos zeigen. In der anschließenden Diskussion sollen die Perspektiven für eine Bleiberechtregelung erörtert werden.
Hier geht es zum Flyer mit mehr Informationen.