Wir sind alle Asylsuchende

Im Rahmen einer vom Hamburger Flüchtlingsrat organisierten Podiumsdiskussion aus Anlass des Weltkindertages am 20.9.2010 hielt ein Flüchtling von JOG Niedersachsen, eine Rede, die wir nachfolgend dokumentieren. Die Diskussion erfolgte im Rahmen der Mobilisierung gegen die IMK vom 17.-19.11.2010 in Hamburg im Kölibri, Hein Köllischplatz 12

Kinder und Jugendliche mit uns, wir sind alle Asylsuchende
In Deutschland sind wir alle Opfer des Systems

Haben die Asylsuchenden (ihren) Platz hier in Niedersachsen? Ich glaube nicht. Haben die Asylsuchenden gleiche Rechte hier in Deutschland? Aber sicher nicht! Gibt es in Niedersachsen Bewegungsfreiheit für Asylsuchende? Die Freiheit, die uns oft in unseren Herkunftsländern fehlt? Die Freiheit, die man hier zu finden meint? Hier in Deutschland, einem sogenannten demokratischen Land? Ich sage nein!

Kann man arbeiten, kann ein Asylsuchender eine Berufsausbildung machen und sein Studium fortsetzen und andere Sachen im Ausbildungsbereich hier in Deutschland? Ich weiß, dass das nicht erlaubt ist. Was ist das, wer ist es? Wo ist er? Wie lebt er in Niedersachsen? Ein Asylsuchender? In Niedersachsen und überall in Deutschland – kann er etwas machen während seines Asylverfahrens, ohne dass es bestraft oder von anderen Restriktionen bedroht wird? So war es in meinem Fall, als ich als Freiwilliger im FSJ arbeitete für die Caritas-Diozöse von Hildesheim, im Zentrum für Behinderte in Röderhof.

Gleiche Rechte für alle und alle Rassistische Sondergesetze abschaffen!

In Niedersachsen leben wir und sind konfrontiert mit Grenzen, die vor uns aufgebaut werden, die Grenzen in den Supermärkten mit unserem Papiergeld „Gutschein“, ohne Wahl zu kaufen, was man will und wo man will. Schließlich leben wir in Deutschland in offenen Gefängnissen, ohne dass wir aus ihnen herauskommen können. Glauben Sie, dass der beste Platz für Asylsuchende hier in Deutschland in den Lagern und Aufnahmeeinrichtungen sei? Die Lager der Schande, wo wir übereinander gestapelt sind? Diese Zentren, die mehr oder weniger an Gefängnisse erinnern, aus denen wir mit knapper Not in unseren Herkunftsländern entkommen sind?

Diese Zentren und Lager wie das von Braunschweig, Bramsche, Oldenburg, Garbsen, Fallersleben, Rinteln, was weiß ich noch, z.B. Meinersen? Isoliert, allein in überbelegten Zimmern, zahlreich, zusammengepfercht die einen über den andern wie die Sardinen in Konservendosen? Ich glaube, dass die Tiere auf den Höfen besser behandelt werden hier, weil jedem Tier ein persönlicher Platz zusteht, auch wenn diese Tiere ihr Privatleben nicht schützen oder ihre Intimsphäre der Öffentlichkeit präsentieren müssen. Wir sind einer totalen Indiskretion ausgesetzt, ohne Respekt für unser intimes und persönliches Leben. Ausgesetzt Streitereien und Missverständnissen, Resultat des Zusammenwürfelns ohne auf unsere Verletzungen und Traumata Rücksicht zu nehmen, auf unsere Kulturen und Glaubensrichtungen, die unterschiedlich sind und nicht in Betracht gezogen werden von den Verwaltern der Zentren und Lager.

Deshalb fordere ich von den Behörden: Die Schließung der Gemeinschaftsunterkunft der Asylbewerber, die Lager und alle Asylheime. Glauben Sie, dass die Flüchtlinge nicht selbst die Kraft und das Wissen haben, den guten Willen, selbst für sich zu sorgen und ökonomisch und sozial zum täglichen Leben in Deutschland beizutragen, und dass im Gegensatz dazu die deutsche Gesetzgebung uns daran hindert, etwas zu tun? Aber im Gegenteil, mit den Jahren des Wartens auf den Abschluss von endlosen Prozeduren, in absoluter Unsicherheit, steigert sich die Isolation. Wir werden bald physiologisch, physisch und psychisch ausgenutzt, ohne den Geschmack zu leben werden wir gedrängt, unserem Leben ein Ende zu setzen: Wegen des Drucks, dem wir ausgesetzt sind beim Warten auf unsere Abschiebung und all diese inhumanen Behandlungen, deren Opfer wir jeden Tag in jeder Sache sind. Wer weiß, dass Europa noch Grenzen hat, dass eine Person im Asylverfahren niemals nach Deutschland zurückkommen kann, wenn sie Deutschland einmal verlassen hat? Wer weiß, dass die Bundesrepublik Deutschland, seine Bundesländer, Landkreise und Kreise, Gemeinden und Amtsgemeinden, seine Städte und Dörfer auch Grenzen sind für Asylsuchende, und dass die Asylsuchenden, die darin sind, nicht heraus dürfen, ohne Strafe zu bezahlen oder ins Gefängnis zu kommen?

Wir werden verfolgt, kontrolliert und unsinnigen Prozeduren unterworfen, für Anträge auf Erteilung einer Verlassenserlaubnis müssen wir Geld bezahlen, obwohl wir kein Einkommen haben, und die 145 Euro an Gutscheinen und die 40 Euro Taschengeld für einen Monat reichen nicht aus. Dies ist unsere Situation und unser Leben, das wir täglich leben in den Lagern und Asylheimen, mit all den Restriktionen wie der Residenzpflicht, ohne dass wir das Recht hätten, etwas wie Berufsausbildungen zu machen, zur Schule zu gehen oder unser Studium fortzusetzen, zu arbeiten oder eine bezahlte Tätigkeit auszuüben, damit wir selbst für uns sorgen könnten, geprägt von Isolation, deren Opfer wir sind und die unsere ganze Lebenszeit vergeudet auf dem Land weit weg von Städten, isoliert von Einkaufs- und Unterstützungsmöglichkeiten und öffentlichen Dienstleistungen, täglich in Unsicherheit lebend, mit ständiger Angst, abgeschoben zu werden in unsere Herkunftsländer.

Deswegen habe ich mich engagiert und erbitte die Unterstützung aller Leute, die guten Willens sind und aller Jugendlichen, die Aktion von JOG (Jugendliche ohne Grenzen) zu unterstützen, damit unsere Forderungen während der IMK im November hier in Hamburg erfolgreich sind und positive Ergebnisse haben. Deshalb fordern wir, die Jugendlichen Ohne Grenzen, von der IMK in Hamburg:

  • Ein großzügiges Bleiberecht für Alle!
  • Die Gleichberechtigung von Flüchtlingen!
  • Die Legalisierung von Menschen ohne Papiere (sog. Illegale)!
  • Wohnungen statt Flüchtlingslager und Bargeld statt Sachleistungen!
  • Chancengleichheit, vor allem beim Bildungsrecht / Arbeitsrecht!
  • Das Recht für unsere abgeschobenen FreundInnen, in ihre Heimat Deutschland zurückkehren zu dürfen

 

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