Lager sind keine Orte, um Menschen unterzubringen. Das zeigen nicht zuletzt die neuerlichen Quarantänen in der Landeserstaufnahmeeinrichtung Oldenburg (Kloster Blankenburg) und in der kommunalen Unterkunft Ehra-Lessien im Landkreis Gifhorn.
In der Erstaufnahme Oldenburg haben sich 12 dort untergebrachte Menschen mit Corona infiziert. Gleich 103 müssen deshalb in Quarantäne. Die Initiative Sowib_OL (Solidarity Without Borders Oldenburg) berichtet von verunsicherten Bewohner:innen, die sich nicht ausreichend vor Infektionen geschützt fühlten.
„Ein Mensch, der sechs Monate in Blankenburg leben musste und hier nicht namentlich genannt werden möchte, schilderte den Zustand kürzlich wie folgt: “They quarantine a lot of people in a single room using one toilet, so if you are quarantined in a room with somebody who has Corona and you don’t have Corona (…) automatically you are going to get these virus.”“
Sowib_OL, Erneut Corona-Ausbruch in Erstaufnahmestelle Blankenburg, Pressemitteilung vom 26. April 2021
Die Sprecherin der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen hat diese Darstellung gegenüber der NWZ zurückgewiesen.
In der kommunalen Unterkunft in Ehra-Lessien genügte letzte Woche ein einziger positiver Corona-Fall einer Bewohnerin, um eine Quarantäne für alle 200 dort untergebrachten Menschen zu verhängen und die gesamte Anlage abzuriegeln. Auch jetzt stehen immer noch ganze Bereiche unter Vollquarantäne.
Dabei warnt auch das Robert-Koch-Institut in seinen Handlungsempfehlungen nachdrücklich vor pauschalen Quarantänen und der Abschottung ganzer Unterkünfte. Die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte Prof. Dr. Beate Rudolf wies bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2019/2020 an den Deutschen Bundestag im Dezember 2020 deutlich darauf hin, dass ein pauschales Ausgangsverbot für eine ganze Unterkunft beim Umgang mit Covid-Infektionen ein Verstoß gegen die Grund- und Menschenrechte ist.
Die Grund- und Menschenrechte verbieten es, einfach ein Ausgangsverbot über eine Asylunterkunft zu verhängen, statt die Belegungsdichte zu verringern. Denn schutzsuchende Menschen haben – wie alle Menschen – das Recht auf wirksamen Schutz vor #COVID19. pic.twitter.com/SFRQjX5yJr
— Für Menschenrechte (@DIMR_Berlin) December 1, 2020
Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich in den Lagern in Niedersachsen nichts geändert. Noch immer leben Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen und kommunalen Unterkünften auf engstem Raum in Mehrbettzimmern. Immer wieder kommt es zu Vollquarantänen, wenn einzelne Menschen mit Corona infiziert sind.
Schon im Juni 2020 wurde die gesamte Einrichtung Ehra-Lessien unter Quarantäne gestellt und die Bewohner:innen polizeilich bewacht, statt Infizierte und Nicht-Infizierte konsequent voneinander zu trennen. Sowohl im Januar 2021 als auch im Februar 2021 kam es erneut zu positiven Coronafällen in Ehra-Lessien. Wiederum waren nicht nur die Betroffenen und ihre Kontaktpersonen, sondern viel mehr Bewohner:innen unter Quarantäne gestellt worden.
Selbstorganisationen, Flüchtlingsräte und Mediziner:innen weisen seit Beginn der Pandemie darauf hin, dass die Ansteckungsgefahr in den beengten Lagern, in denen die Menschen einander nicht ausweichen können, viel höher ist. Der Flüchtlingsrat fordert seit langem ein entschiedenes Handeln der Landesregierung, aber auch der Landkreise und kreisfreien Städte, um die enge Unterbringung in vielen Sammelunterkünften zu beenden und die Menschen dezentral, am besten in eigenen Wohnungen, unterzubringen.
In der Erstaufnahme in Oldenburg gab es bislang noch kein Impfangebot, obwohl Bewohner:innen solcher Unterkünfte zur Prioritätsgruppe 2 gehören, bei der seit Monaten Impfungen laufen.
Hintergrund
Medienberichte
Wegen Corona: Camp Lessien erneut abgeriegelt, in: Wolfsburger Allgemeine Zeitung vom 23. April 2021
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