Flüchtlingsrat bemängelt Aufklärung von Geflüchteten über Impfungen

Geflüchtete und wohnungslose Menschen in Sammelunterkünften sind angesichts ihrer beengten Wohnverhältnisse besonders durch die Corona-Pandemie gefährdet, wie unter anderem die Ergebnisse des Kompetenznetz Public Health COVID‐19 zeigen. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen machte bereits mit Ausbruch der Pandemie auf das massiv erhöhte Ansteckungsrisiko in Gemeinschaftsunterkünften aufmerksam. Das Bundesgesundheitsministerium hat diese besondere Bedrohungslage anerkannt und verortet Personen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben (müssen) – zusammen mit allen Menschen zwischen 70 und 79 Jahren – in der Prioritätsgruppe 2. Das bedeutet: Geflüchtete und wohnungslose Menschen in Sammelunterkünften haben bereits seit Februar 2021 einen Anspruch auf eine Impfung (§ 3 CoranaImpfV).

Seit dem 19. April werden Geflüchtete in den Landesaufnahmeeinrichtungen systematisch angesprochen und geimpft. Auch in einzelnen Kommunen – etwa im Landkreis Harburg – sind erste Impfungen angelaufen. Dabei hat sich gezeigt, dass viele geflüchtete Menschen dem Impfangebot misstrauen. Entsprechend niedrig ist die Impfquote mit ca. 25 – 30%. Die Gründe für diese Impfskepsis sind vielschichtig:

  • Viele Geflüchtete wissen nicht, dass sie als Bewohner:innen von Sammelunterkünften besonders gefährdet sind. Sie sind es gewohnt, in anderen Bereichen (etwa im Bereich der sonstigen Gesundheitsversorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz) benachteiligt zu werden, und vermuten, dass an ihnen neue, unsichere Impfstoffe ausprobiert werden sollen.
  • Das Impfangebot wird den Betroffenen oftmals anonym und ohne ausreichende muttersprachliche Informationen übermittelt, etwa in Form von Listen, in die sich Interessierte eintragen sollen. Oftmals verstehen die Geflüchteten gar nicht, worum es geht.
  • Geflüchtete Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes müssen bei Zustimmung zur ersten Impfung weitere sechs Wochen in der Einrichtung bleiben, um die zweite Impfung abzuwarten. Sie werden also nicht verteilt. Dabei wäre eine schnelle Verteilung aus den Landesaufnahmeeinrichtungen auch aus gesundheitspolitischen Gründen sinnvoll.
  • Manche Geflüchtete missverstehen die Durchführung von Impfungen als eine Maßnahme zur Vorbereitung einer Abschiebung. Diese Vermutung rührt daher, dass Herkunftsländer oftmals einen negativen Coronatest zur Voraussetzung für eine Abschiebung erklärt haben.
  • Es kursieren auch Falschinformationen, die über das Netz verbreitet werden – etwa die Behauptung, die Impfstoffe würden unfruchtbar machen.

Ein Impfangebot an Geflüchtete macht nur dann Sinn, wenn vorab ausreichende Informationen geflossen sind. Darüber hinaus braucht es eine niedrigschwellige mündliche Vermittlung dieser Informationen, damit die Betroffenen auch Nachfragen stellen können (siehe hierzu unsere aktuellen Forderungen). An entsprechenden Veröffentlichungen mangelt es. Videos des Landesamtes für Flüchtlinge Berlin sind aus unserer Sicht unglaubwürdig und daher nicht geeignet: Impfkomplikationen werden darin negiert, alle Impfstoffe seien gleich wirksam, es werden keine spezifischen Informationen zu Schwangeren oder akut Kranken gegeben.

Im Kontakt mit der Landesregierung bemüht sich der Flüchtlingsrat daher darum, dass neue, allgemeinverständliche Informationen für Geflüchtete und andere Menschen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, erstellt und über soziale Medien verbreitet werden. Folgende Materialien sind noch nicht ausreichend, aber ermöglichen zumindest eine erste Orientierung:

  1. Videos der Neuen Deutschen Medienmacher:innen im „Handbook Germany“ auf Englisch, Französisch, Farsi, Pashto und Arabisch, zusammengestellt von der Regierung von Unterfranken, zur Wirkungsweise von Impfungen, Immunität etc.
  2. Videos der Regierung von Unterfranken, erstellt in Zusammenarbeit mit der Diakonie. Die Einzelvideos können auch  auf Youtube aufgerufen werden:

Nachtrag:

Sozialministerium und Staatskanzlei haben einen Basisinformationstext zum Thema Impfen und Testen erarbeitet und in verschiedene Sprachen übersetzen lassen.  Wir stellen diese nützlichen Informationen gern zur Verfügung:

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